ABB und Elektrizitätswerk der Stadt Zürich

Erste gasisolierte Schaltanlage ohne schädliches SF6

7. September 2015, 7:57 Uhr | Heinz Arnold
In dem Gebäude auf dem Betriebsgelände von ewz gegenüber der GIS-Fabrik von ABB sich acht GIS-Felder  (170 kV, 40 kA, 1250 A). Sie werden im dritten Quartal dieses Jahres erstmals bestromt.
Blick durch den »Guckkasten« des neuen unterirdischen Umspannwerks des ewz in Zürich. Das Umspannwerk wurde so konzipiert, dass die Transformatoren das oberhalb befindliche Gebäude beheizen.
© ABB

Das neue Umspannwerk des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich ist in Betrieb gegangen. Das Besondere: Hier arbeitet die erste gasisolierte Schaltanlage der Welt, die SF6 als Isoliergas durch ein ungiftiges, umweltfreundliches Gasgemisch zu ersetzt. Entwickelt hat die Anlage ABB.

Und ABB ist überzeugt, mit dieser Entwicklung einen Durchbruch erzielt zu haben: Denn mit der neuen Gasisolierten Schaltanlage (GIS) reduziert sich die CO2-Belastung durch das Stromnetz spürbar. Gegenüber dem Vorgängermodell mit der gleichen Nennleistung kann die GIS mit dem neuen Gasgemisch die Emission von Kohlendioxidäquivalenten über den Lebenszyklus einer Anlage um bis zu 50 Prozent reduzieren. ABB hatte bereits zuvor die patentierte Gasmischung umfangreichen Tests im Labor unterzogen, so dass die neue Pilotanlage zum geplanten Termin in Betrieb gehen konnte.

Perfluor-Ketone machen´s möglich

ABB hatte seit 2010 auf Perfluor-Ketone gesetzt, um SF6 zu ersetzen, und damit offenbar auf das richtige Pferd. Mit C5 PFK hat das Unternehmen eine Substanz für die GIS-Anwendung gefunden, deren Spannungsfestigkeit an die von SF6 heranreicht. Allerdings hat das Gas den Nachteil, dass der Siedepunkt bei ca. 25 °C liegt, in reiner Form für die Anwendungen in GIS-Analgen also unbrauchbar wäre. Doch die Entwickler fanden einen Ausweg. Mit CO2 oder N2 sowie O2 gemischt, entsteht ein Gas, das den Nachteil des Siedepunktes nicht aufweist, das nicht giftig ist, ein niedriges Treibhausgaspotenzial aufweist – 99,995 % tiefer als SF6 – und dessen isolierende und lichtbogenlöschenden Eigenschaften nahe an die von SF6 heranreichen.

Sehenswerte Architektur

Neu ist auch, dass der Öffentlichkeit die Einsicht in den Betrieb nicht verwehrt bleiben soll. So wurde ein »Guckkasten« integriert – ein Bereich, in dem die Besucher des oberirdischen Gebäudes durch ein Schaufenster dem Betrieb der Transformatoren unter der Erde zusehen können.

Außerdem wurde das Umspannwerk so konzipiert, dass die Transformatoren das oberhalb befindliche Gebäude beheizen. So sei der unterirdische Bau eines Umspannwerks zwar ein anspruchsvolles Projekt, das aber große Vorteile birgt, sagt Michael Gräfensteiner: »Wir können dank der unterirdischen Bauweise die Gebäude beheizen und sogar später noch Fernwärme abgeben.« Der Neubau entspricht den Anforderungen von Minergie Eco, was Industriegebäude selten erreichen. Außerdem wird oberirdisch kein zusätzlicher Raum beansprucht. »Dieses Konzept wird sich in anderen Städten, in denen Grundstücke ein rares Gut sind, ebenfalls durchsetzen«, ist Gräfensteiner überzeugt.

Ein unterirdisches Umspannwerk

Vor vier Jahren hatte das ewz den Neubau des Umspannwerks lanciert, um der steigenden Nachfrage nach Strom gerecht werden zu können. Allerdings sind freie Grundstücksflächen in Zürich Mangelware. Das ewz beschloss daher, das neue Umspannwerk unterirdisch auf drei Geschossen zu errichten – was einer großen baulichen Herausforderung entsprach. Die Projektleitung für den Bau wurde der Firma Pöyry Schweiz AG übergeben, die sowohl im Tief- & Hochbau als auch im Bau von Kraftwerken über grosse Erfahrung verfügt. Diese war notwendig. »Es war letztlich eine sehr komplexe Planung eines speziellen Projektes, bei welchem eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeiten koordiniert werden mussten«, sagt Projektleiter und Mitglied der Geschäftsleitung Michael Gräfensteiner von Pöyry Schweiz AG. Der Neubau kombiniert architektonische Qualität und Nachhaltigkeit; vom Architekten zum Hochspannungsexperten bis hin zum Künstler war alles auf der Baustelle vertreten.

Eine besondere Herausforderung war der komplizierte Baugrund. Der unterirdische Bau reicht rund 15 Meter in den Boden und somit ins Grundwasser. Dadurch hatte man einerseits den Auftrieb im Wasser zu bewältigen, andererseits galt große Aufmerksamkeit dem Abdichten. Denn elektrische Spannung und Wasser sind bekanntlich heikle Nachbarn. Zur Rückhaltung des Grundwassers entwarf Pöyry eine spezielle Doppelwandkonstruktion, die den sicheren Betrieb in Oerlikon garantiert.


Das könnte Sie auch interessieren

Verwandte Artikel

ABB AG Energietechnik-Systeme