20-30 Prozent höhere Anschlussleistung ist drin

Expertenmeinung zu blindleistungsregelungsfähigen Wechselrichtern

29. November 2010, 12:19 Uhr | Heinz Arnold
Frank Hose, EnBW ODR: »Bei Überlastung einer Trafostation ist nach wie vor ein Netzausbau erforderlich.«

Blindleistungsregelungsfähige Wechselrichter könnten laut dem Bundesverband der Solarwirtschaft die Aufnahmefähigkeit der Verteilnetze für Photovoltaik deutlich steigern. Netzverstärkungen einsparen können sie aber laut Frank Hose, Vorstand von EnBW Ostwürttemberg DonauRies, nicht.

Energie & Technik: Mit neuen Generationen von blindleistungsregelungsfähigen Wechselrichtern könnte die Energieeinspeisung in Niederspannungsnetze bis um den Faktor 2 erhöht werden, ließ der BWK Solar kürzlich verlauten. Könnten sich Energieversorger bzw. Netzbetreiber damit den teuren Ausbau sparen?

Frank Hose: Blindleistungsfähige Wechselrichter sind zur Entspannung der Energieeinspeisung eine unverzichtbare Komponente im modernen Netz, sie erhöhen die mögliche Anschlussleistung, können aber Netzverstärkungen allenfalls zeitlich aufschieben letztendlich nicht jedoch ersparen.

Das Thema Blindleistung ist sehr komplex. Eine in ein Verteilnetz eingespeiste Blindleistung hat im wesentlichen zwei Wirkungen.

Zum einen kann sie im Gegensatz zur Wirkleistung keine Arbeit leisten und pendelt stattdessen im Stromnetz hin und her, belastet es dadurch zusätzlich thermisch und erzeugt somit Netzverluste und Leitungsengpässe. Die Netzbetreiber wollen deshalb eigentlich einen cos Phi von 1, d.h. nur Wirkleistung haben.

Die Einspeisung von Blindleistung hat aber noch einen zweiten Effekt: eine kapazitive oder induktive Phasenverschiebung erhöht oder vermindert die Spannung im Netz. Bei einer rasant zunehmenden Einspeisung von Strom aus Photovoltaikanlagen steigt aber auch die Spannung im Netz, wodurch Netzverstärkungen erforderlich sind. Eine spannungssenkende Wirkung der induktiven Blindleistung ist jetzt sehr nützlich.

Diese hängt allerdings von der Bauart der jeweiligen Spannungsebene ab. So ist das Hoch- und Höchstspannungsnetz aufgrund des hohen Freileitungsanteils und der großen Leiterabstände durch vergleichsweise hohe Blindwiderstände geprägt, während auf der Niederspannungsebene der ohmsche Wirkwiderstand einen hohen Anteil hat.

Auf den unteren Spannungsebenen, dort wo auch die Photovoltaikanlagen einspeisen, hat die Einspeisung von Blindleistung zur gewünschten Spannungssenkung daher wesentlich geringere Auswirkungen als im Hochspannungsnetz. Trotzdem soll die Einspeisung von Blindleistung verpflichtend werden, weil ihre spannungssenkende Wirkung zwar vergleichsweise schwach, zur Kompensation des wirkleistungsbedingten Spannungsanstiegs jedoch immer unverzichtbarer wird.

Alle Wechselrichter müssen daher künftig grundsätzlich blindleistungsfähig sein. Grundsätzlich können wir derzeit max. einen cos Phi von 0,95 fordern. Deshalb darf meines Erachtens maximal mit diesem cos Phi gerechnet werden. Im Gespräch ist allerdings eine Absenkung auf 0,9. Nach unseren Berechnungen ergibt sich je nach Netztopologie eine um 20-30 Prozent mögliche höhere Anschlussleistung.

Bei Überlastung einer Trafostation ist nach wie vor ein Netzausbau erforderlich. Eine Verdoppelung der Einspeiseleistung allein durch den Einsatz blindleistungsfähiger Wechselrichter sehe ich deshalb als absolut unrealistisch an.

Zum gleichen Ergebnis kommt übrigens auch ein großer namhafter Wechselrichterhersteller.



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