Kommunales Energieversorgungsmodell

Energiecontracting: Geschäftsfeld oder Modewort?

10. Februar 2014, 14:32 Uhr | Hagen Lang
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Die Eintrittshürden in den Markt für Energiecontracting sind hoch. Wer über das Spezialwissen verfügt, um Kunden neben Umwelt- und Kostenvorteilen langfristig Betriebssicherheit zu gewährleisten, kann auf langfristige Vertragsbindungen hoffen.

Die Energiewirtschaft wandelt sich. Neue Player, Geschäftsmodelle und Dienstleistungen treten auf den Markt. Was ist praktikabel, was lohnt sich? Die Politik stürmt voran, forciert die Energiewende, weg vom atomar gespeisten Großkraftwerk, aber auch weg von der fossilen Energie. Bis 2030 40 Prozent weniger CO2-Emissionen gegenüber 1990 fordern Wirtschaftsminister Gabriel und Umweltministerin Hendricks in einem Brief an EU-Kommissar Günter Oettinger. Die Energy-Roadmap der EU drängt bis 2050 sogar auf eine CO2-Reduktion um 80 bis 95 Prozent. Brüssel und Berlin unterstellen, die Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit werden sich schon einstellen. Viele Verbände begrüßen die Szenarien offiziell, platzieren die »Kommunen als Vorreiter der Energiewende« und mahnen dafür »sichere Rahmenbedingungen« an, allein: Eingespielte Geschäftsmodelle in der Versorgungswirtschaft werden prekär. Die Energiewende zwingt dazu, auch einen Blick auf nicht-traditionelle Einkommensquellen außerhalb des eigentlichen Kerngeschäfts zu werfen.

Kundenloyalität durch neue Angebote erhalten

Für Kommunen ist das Thema akut, wenn ihre Haushalte auf die Überweisungen der eigenen Energieversorger angewiesen sind. Zumindest die Zufriedenheit der Kunden kommunaler Energieversorger ist noch sehr hoch: 88 Prozent aller Befragten waren »sehr« oder »eher« mit ihnen zufrieden, so eine aktuelle Umfrage der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung im VKU (ASEW). Aber die Kundenloyalität nimmt ab: Nur 65 Prozent der Befragten wollten »auf jeden Fall« oder »wahrscheinlich« Kunde bleiben, ein Rückgang um 9 Prozent gegenüber 2012. ASEW-Chefin Daniela Willikewitz glaubt, der Grund dafür seien auch steigende Preise im Stromsektor, die vor allem durch gesetzliche Umlagen verursacht sind. Willikewitz erklärt: »Die Preissensibilität bei den Kunden steigt – und viele halten sich den Wechsel zu einem Billiganbieter offen. Für die Stadtwerke gilt es daher, ihre teilweise kostenlosen Zusatzangebote, wie die Energieberatung weiter auszubauen und stärker zu kommunizieren und auch neue Angebote für die Kunden zu entwickeln.«

Lokale Energieversorger brauchen also neue Alleinstellungsmerkmale, neue Dienstleistungsangebote. Denn Energielieferanten werden online so schnell gewechselt wie Handy-Tarife. Davor schützt nur Kundenloyalität, und die will erarbeitet sein. »Neue Angebote«, das können vor allem neue Energiedienstleistungen sein, die auf die Bedürfnisse der Kunden reagieren und im Idealfall deren Preisbewusstsein mit einbeziehen. Wer das Umweltbewusstsein der Kunden aufgreift und ihnen hilft, die Stromrechnung zu senken und Geld zu sparen, baut Kundenloyalität auf. Gleichzeitig können Kommunen dadurch ihre ohnehin schon vorhandene Expertise im Aufbau, Betrieb und Management von Energie-Infrastruktur und im Energiesparen »zweitverwerten« und damit vorhandenes Know-how monetarisieren.

»Contracting-Dienstleistungen« auf dem Vormarsch

Kommunale Energieversorger haben ihr Portfolio in den letzten Jahren vor allem um »Contracting-Dienstleistungen« erweitert. In einer Befragung gaben etwa über 60 Prozent der 120 vom Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) und der ASEW befragten Stadtwerke an, Contracting von Wärmeenergiedienstleistungen anzubieten, etwa 45 Prozent boten die Ausgabe von Energieausweisen an, fast 60 Prozent vertrieben und bewarben die Erstellung von Thermografien, fast drei Viertel versorgten ihre Kunden mit Energieberatungen und über 80 Prozent mit Online-Informationen. Die Studie kam zum Ergebnis, dass Energieberatung den Kunden nicht nur großen Mehrwert bietet, sondern sich für lokale Energieunternehmen auch gut eignet, um sich als Ansprechpartner vor Ort zu etablieren und die Vermittlung weiterer Dienstleistungen anzustoßen.

Wirklich neu ist Contracting nicht. Sein Grundprinzip wurde schon vor über 200 Jahren genutzt. James Watt war nicht nur Erfinder der Dampfmaschine, sondern auch Pionier des Energie-Contracting. Er verkaufte die von ihm entwickelten Maschinen nicht, sondern überließ sie seinen Kunden, meist Minen-Betreibern, im Rahmen eines Contracting-Geschäftes, von dem beide Seiten profitierten: »Wir überlassen Ihnen kostenlos eine Dampfmaschine, werden sie installieren und für fünf Jahre den Kundendienst übernehmen. Wir garantieren Ihnen, dass die Kohle für die Maschine weniger kostet, als Sie gegenwärtig an Futter (Energie) für die Pferde aufwenden müssen, die die gleiche Arbeit tun. Und alles, was wir von Ihnen verlangen, ist, dass Sie uns ein Drittel des Geldes geben, das Sie sparen.«


  1. Energiecontracting: Geschäftsfeld oder Modewort?
  2. Leistungen des Energie-Contractors
  3. Praxisbeispiel: Die Gesundheit Nordhessen Holding AG

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