Forschungsprojekt »RPC2«

Blindleistung in Verteilnetzen situationsabhängig mobilisieren

5. April 2022, 17:14 Uhr | Kathrin Veigel
Das Fraunhofer IEE und weitere Partner haben ein neues Verfahren zum Management von Blindleistung in Verteilnetzen entwickelt.
© AllgäuNetz

In einer zunehmend dezentralisierten Stromerzeugungslandschaft wird die Versorgung mit Blindleistung immer komplexer. Anhand des Projekts «RPC2« haben Forscher gezeigt, wie sich die Verteilnetze mit neuen dezentralen und zentralen Verfahren zum Managen von Blindleistung stützen lassen.

Im Forschungsprojekt »RPC2« hat das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) zusammen mit Partnern aus dem Netzbetrieb und der Universität Kassel Verfahren entwickelt, mit denen Netzbetreiber Erzeugungs- und andere Anlagen in der Mittel- und Hochspannungsebene so ansteuern können, dass sie bedarfsgerecht Blindleistung bereitstellen. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf dem Austausch von Blindleistung zwischen den verschiedenen Netzebenen. Neben AllgäuNetz und LEW Verteilnetz war auch PSI Software als assoziierter Partner an dem Vorhaben beteiligt. 

Live-Messdaten für die entwickelten Verfahren

In der ersten Phase des Projektes haben die Fraunhofer-Forscher neue Verfahren zur Anforderung von Blindleistung aus dezentralen Erzeugungsanlagen, aus Kompensationsanlagen sowie aus der Trafostufung im Hoch- und Mittelspannungsnetz entwickelt. Diese Verfahren haben die Wissenschaftler dann in die BeeDIP-Software des Fraunhofer IEE implementiert – eine Plattform, die es erlaubt, Leitwarten um externe Komponenten zu erweitern, Daten und Algorithmen zu integrieren sowie neue Konzepte für die Betriebsführung zu testen.

Damit war es den Forschern möglich, die entwickelten Verfahren mit Live-Messdaten aus den Leitwarten von AllgäuNetz und LEW Verteilnetz zu speisen. »Mit der Abbildung dynamischer Messwerte aus der Mittelspannung in den statischen Netzdaten entstand ein detailliertes Bild der Verteilnetze der beiden Projektpartner«, erläutert RPC2-Projektleiter Dr. Sebastian Wende-von Berg vom Fraunhofer IEE.

Vor dem Feldversuch haben die Wissenschaftler die Verfahren zur Blindleistungsregelung ausführlich im Labor getestet. Dazu haben sie die gekoppelten Verteilnetze der Partner im OpSim-System – eine von Fraunhofer IEE und Universität Kassel entwickelte Simulationsumgebung – dargestellt, um die Effekte der entwickelten Verfahren beobachten und analysieren zu können.

Demonstratoren in den Verteilnetzen

Nach erfolgreichem Abschluss der Labortests haben die Partner dann unter Einhaltung höchster Sicherheitskriterien Blindleistungsrechner als Demonstratoren in den Verteilnetzen von AllgäuNetz und LEW Verteilnetz implementiert. Dabei standen die Demonstratoren über eine gesicherte VPN-Verbindung miteinander in Kontakt.

Mit den aus dem jeweiligen Netzleitstellensystem exportierten Messwerten und Schaltzuständen konnten die Demonstratoren Berechnungen zur Optimierung des Blindleistungsflusses im eigenen sowie im gekoppelten 110-kV-Verteilnetz des Nachbarn durchführen. Daraus haben die Rechner dann Einstellvorschläge für ausgewählte Erzeugungs-  sowie industrielle Kompensationsanlagen in der Mittelspannungsebene abgeleitet. Diese Vorschläge hat das Personal der Leitstellen schließlich über einen manuellen Steuerbefehl per Fernwirktechnik umgesetzt.

Damit die beteiligten Anlagen den Auftrag zur Lieferung von Blindleistung aufnehmen, verarbeiten und erfüllen können, galt es, die Anlagentechnik zuvor an die neuen Aufgaben anzupassen. Dabei haben die Betreiber der Anlagen eng mit deren Herstellern sowie mit AllgäuNetz und LEW Verteilnetz zusammengearbeitet.

»Die Ergebnisse des Feldtests zeigen, dass die einzelnen Anlagen die geforderten Blindleistungswerte mit den entwickelten Verfahren punktgenau liefern können«, fasst Fraunhofer-Forscher Dr. Frank Marten zusammen. Damit seien sie in der Lage, aktiv einen wichtigen Beitrag zum Blindleistungshaushalt des Netzes zu leisten.


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