Schwebend, widerstandsfrei, ressourcenschonend und energieeffizient

Festo: Supraleiter für die Automatisierungstechnik

19. April 2013, 11:06 Uhr | Heinz Arnold
SupraPicker – Handhabungen im hermetisch abgedichteten Raum
© Festo

Auf der Hannover Messe 2013 hat Festo die Potenziale und Forschungsfelder der Supraleiter-Technologie für die Automatisierung vorgestellt. Besonders für die reibungsfreie, schwebende Lagerung ist die Supraleitung interessant, wie Festo zusammen mit der Firma evico aus Dresden und weiteren Partnern demonstriert hat.

Die Supraleiter-Technologie befindet sich noch im Forschungsstadium: Großes Potenzial besteht bei der Materialentwicklung und bei Kühlsystemen. Der Aufwand, um das Material auf extrem niedrige Temperaturen zu kühlen, stand lange einer breiten industriellen Anwendung im Weg. »1986 wurden dann die Hochtemperatursupraleiter entdeckt, deren Sprungtemperatur oberhalb von 100 Kelvin liegt. Es handelt sich hierbei um keramische Materialien. Die Kühlung ist seitdem mit flüssigem Stickstoff oder elektrisch direkt möglich und damit deutlich günstiger und praktikabler geworden«, erklärt Prof. Dr. Ludwig Schultz vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW Dresden).

Supraleitende Magnetlager in der Automation

Werden Supraleiter unter Einwirkung eines äußeren Magnetfeldes eines Permanentmagneten unter die Sprungtemperatur gekühlt, hat dies nicht nur zur Folge, dass der Supraleiter den elektrischen Widerstand verliert, er verändert auch seine Eigenschaften: Der Supraleiter kann das Magnetfeld des Permanentmagneten in einem zuvor festgelegten Abstand speichern oder »einfrieren« und einen stabilen Schwebezustand ermöglichen. Versucht man den Supraleiter zu verschieben, bewegt er sich immer zurück in die gespeicherte Position. Diese Eigenschaft der reibungsfreien, stabilen Lagerung, die ohne aufwendige Mess- und Regelungstechnik auskommt, wird in den drei Forschungsträgern gezeigt.

SupraLinearMotion: Schweben dank Supraleitung

SupraLinearMotion, eine Wippe mit Sitzkonstruktion für eine Person, hat die Supraleiter-Technologie für die Messebesucher erfahrbar gemacht. Für den Schwebezustand wird das supraleitende Material am Boden des Schlittens mithilfe von flüssigem Stickstoff auf eine konstante Temperatur zwischen 63 Kelvin und 77 Kelvin gekühlt. Es wird dann in einem Abstand von circa 15 mm über einer Schiene, einem einfachen Magnetfahrweg aus Permanentmagneten, angeordnet. Das Material speichert und hält die vorgegebene Position parallel zur Schiene. Für die Fortbewegung des Schlittens wird die Wippe einmalig aus der Balance gebracht. Sobald die Abwärtsbewegung ausgelöst ist und die Wippe kippt, ist nur noch die Schwerkraft im Einsatz. Der Fahrgast schwebt von Supraleitung getragen auf der Wippe.

SupraHandling – reibungsfreies Bewegen in der Ebene

Dieses Prinzip wurde auf einen Kreuztisch zur Bewegung von Objekten in der Ebene übertragen. Unterhalb des Tisches neigen zwei Antriebe die Grundplatte unabhängig voneinander in X- und Y-Richtung. Sie versetzen damit zwei auf Magnetschienen schwebende Schlitten berührungslos in Bewegung. Erstmals bewegen sich damit die Schlitten eines X-/Y-Tischs auf supraleitenden Lagern. Wie bei SupraLinearMotion wird der Supraleiter bei dieser Handhabung passiv über flüssigen Stickstoff gekühlt. Der Abstand und die Position zur Magnetschiene werden eingehalten und stabiles Schweben wird möglich. Die Einsatzmöglichkeiten in der Automatisierungstechnik sind vielfältig. Beispielsweise definieren Eigenschaften wie Geräuschfreiheit, Abnutzungsfreiheit und Halten eines definierten Abstandes neue Applikationen für die Automatisierungstechnik. Durch die leichte Federung und den geringen Energieaufwand werden schonende Bewegungen ohne Zusatzaufwand möglich.

SupraPicker – Handhabungen im hermetisch abgedichteten Raum

Das Exponat SupraPicker zeigt einen magnetischen Greifer mit supraleitender Lagerung, der eine Handhabung erstmals außerhalb und innerhalb eines hermetisch abgedichteten Raums vollziehen kann. Der dank Supraleitung schwebende Greifer nimmt zunächst ein kleines Fläschchen magnetisch auf, führt es durch eine Schleuse in einen hermetisch dichten Raum und stellt es dort auf die vorgesehene Position ab. Der Demonstrator zeigt damit die Vorteile der berührungslosen, stabilen supraleitenden Lagerung, die bisher nicht da gewesene Handlungsspielräume schafft. Ist das Magnetfeld einmal gespeichert, können der Magnet, der die Greiffunktion übernimmt, und der Supraleiter problemlos räumlich voneinander getrennt werden – zum Beispiel wie im Demonstrator durch eine Plexiglaswand. Bei dieser Anwendung wird das supraleitende Material aktiv, über ein kleines Kühlaggregat elektrisch gekühlt. Dadurch entfallen notwendige Hilfsaggregate zur Kühlung, Transport und Lagerung von flüssigem Stickstoff, was den möglichen industriellen Einsatz deutlich vereinfachen kann.


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