Fehlerstrombegrenzer für sichere Versorgungsnetze

Keine Chance für Kurzschlüsse

13. Mai 2011, 12:49 Uhr | Heinz Arnold
Strombegrenzer auf Supraleiterbasis
© Nexans

Kabel sind nur eine mögliche Anwendung für die Keramiksupraleiter. Auf großes Interesse stoßen derzeit die Fehlerstrombegrenzer, die nur auf Basis von Supraleitern funktionieren können.

Ganz einfach ausgedrückt: Der supraleitende Strombegrenzer lässt den Strom im normalen Betriebszustand verlustfrei passieren. Tritt aber plötzlich ein Fehler – etwa durch Blitzeinschläge oder Kurzschlüsse – auf und der Strom im Keramiksupraleiter übersteigt einen gewissen Wert, dann bricht die Supraleitung schlagartig zusammen und der Strombegrenzer stellt plötzlich eine selbst für gigantische Stromstärken bis über 70.000 A unüberwindliche Sperre dar. Der Supraleiter erwärmt sich bei diesem Vorgang. Sinkt die Temperatur wieder unter den kritischen Wert (die sog. Sprungtemperatur), dann tritt der supraleitende Effekt wieder ein und alles ist wie vorher.

Welchen Fortschritt das bedeutet zeigt ein Blick auf die bisherige, eher brachiale Lösung des Problems. Denn um die wertvollen Anlagen wie Umschaltwerke und Generatoren in Kraftwerken vor den Auswirkungen von Fehlern zu schützen, müssen sie vom Netz getrennt werden, sobald die Stromstärke steigt – koste es was es wolle.

Bisher legen die Betreiber deshalb ganz einfach an bestimmten Stellen Sprengstoff um die Leitungen. Sensoren überwachen die Stromstärke. Übersteigt sie den kritischen Wert, wird der Sprengstoff gezündet und die Leitung abgesprengt. Die Leitungen hinterher zu reparieren und einen Stromausfall in Kauf zu nehmen, kommt immer noch sehr viel günstiger als eine komplett zerstörte Anlage. Alternativen dazu stellen nur Drosseln dar, die im Normalbetrieb einen hohen elektrischen Widerstand aufweisen und die Effizienz der Stromübertragung damit verringern, sowie überdimensionierte Transformatoren, die sich aber negativ auf die Spannungsregelung im Netz auswirken und teuer sind.

Dagegen sieht der supraleitende Strombegrenzer fast wie Magie aus: Nicht nur, dass er nach dem Fehler ohne jeden Wartungsaufwand brav weiter arbeitet, er ist auch noch viel zuverlässiger. Denn ob die Kombination von Sensor und Sprengladung auch nach zwanzig Jahren noch wie gewünscht arbeitet, falls der Fehler auftritt, ist nicht ganz so sicher, »fail safe« wie der Fachmann sagt, sind die auf Sprengladungen basierenden Sicherheitseinrichtungen nicht.

Strombegrenzer auf Basis unterschiedlicher Techniken haben Firmen wie Nexans und Zenergy Power entwickelt bzw. auch schon einige Geräte erfolgreich im Netz installiert. Nexans hat einen erfolgreichen Feldtest im von Vattenfall betriebenen Kraftwerk Boxberg durchgeführt, wo der Strombegrenzer einen Kohlebrecher vor Fehlerströmen schützt. Dieser resistive Begrezertyp ist für einen Nennstrom von 800 A ausgelegt, muss kurzfristig aber auch Einschaltströme von bis 4.150 A und anschließend bis 1.800 A über 15 s verkraften, ohne die Begrenzer-Funktion auszulösen.

Auch Bruker hat jetzt die Entwicklung eines supraleitenden Strombegrenzers auf der Basis von Bandleitern der zweiten Generation begonnen und arbeitet im Rahmen eines vom BMWI geförderten Projektes mit den Stadtwerken Augsburg und dem Kunden MTU Onsite Energy Blockheizkraftwerke zusammen. Hier zeichnet sich ein neuer Trend ab, da Erzeuger zunehmend auch in die Nieder- und Mittelspannungsebene einspeisen werden, was zu einer Erhöhung der Kurzschlussleistung, an vielen Stellen über die tolerable Grenze, führen wird. Dadurch ergibt sich ein interessantes Einsatzfeld für supraleitende Strombegrenzer.

Der magnetische Fehlerstrombegrenzer (MFCL) von Zenergy Power kann sowohl multiple wie auch längere Fehlerströme (3 Sek.) begrenzen. Der erste MFCL wurde im März 2009 im Mittelspannungsnetz von Los Angeles bei dem amerikanischen Stromversorger Southern California Edison installiert. Im Januar 2010 kam es dort wegen eines Sturms zu rasch aufeinander folgenden Kurzschlüssen durch Freileitungsberührungen. Der Strombegrenzer hat den Fehlerstrom signifikant reduziert und einen Schaden der Umspannstation vermieden. Ferner gab keine Unterbrechung der Stromversorgung - die Kunden, 1.400 Haushalte sowie diverse gewerbliche Stromabnehmer, haben von dem ganzen Vorgang nichts bemerkt. »Das zeigt, dass die Technik im Alltag genauso funktioniert, wie theoretisch vorhergesagt und in Tests simuliert«, sagt Jens Müller von Zenergy Power. Auch für Consolidated Edison, den Betreiber des dichtesten Stromnetzes der Welt in New York, wurde bereits eine für diese Anforderungen speziell ausgerichtete Anlage erfolgreich getestet. Der nächste Mittelspannungs-Fehlerstrombegrenzer von Zenergy Power wird noch dieses Jahr im englischen Stromnetz bei CE Electric installiert.

Die weltweit erste Installation eines dreiphasigen Hochspannungs-Fehlerstrombegrenzers in einem Stromübertragungsnetz hat Zenergy Power mit American Electric Power für den Beginn 2012 vereinbart. Die Entwicklung des Hochspannungs-MFCL von Zenergy Power wird vom US-Energieministerium, DOE, gefördert, das Fehlerstrombegrenzer als ein wichtiges Element für den Aufbau künftiger Smart Grids ansieht.

Mittlerweile wurde im kanadischen Hochspannungslabor Powertech auch eine Phase eines Fehlerstrombegrenzers für Hochspannung erfolgreich getestet. Die Entwicklung folgte im Rahmen eines vom US Department of Energy geförderten Gemeinschaftprojektes zwischen American Superconductors, Siemens und Nexans. Als Versorger ist Consolidated Edison beteiligt.

Die Erstinstallation eines komplett dreiphasigen Gerätes in einem Hochspannungsnetz zur Stromübertragung hat Zenergy mit American Electric Power für 2011, ebenfalls im Rahmen eines vom DOE geförderten Projektes, geplant. Die Entwicklung des Zenergy-Power-Fehlerstrombegrenzers fördert das Energieministerium der USA finanziell, weil es Fehlerstrombegrenzer als einen wichtigen Element für Erneuerung der Netzinfrastruktur in den USA  ansieht.

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