Technologische Herausforderungen

Umrichter für die HGÜ

30. März 2016, 14:45 Uhr | Von Prof. Dr.-Ing. Hans-Günter Eckel
Offshore-Windpark
© Siemens

Die Hochspannungsgleichstromübertragung ist eine bereits seit mehreren Jahrzehnten bewährte Technik zur elektrischen Energieübertragung über große Entfernungen, die in den vergangenen Jahren nochmals einen deutlichen Aufschwung genommen hat. Historische Entwicklung und aktuelle Trends im Überblick.

Nachdem der Systemwettstreit zwischen Wechsel- und Gleichstrom im Amerika des ausgehenden 19. Jahrhunderts für die Wechselspannung entschieden wurde, war Wechsel- bzw. Drehspannung über viele Jahrzehnte für die elektrische Energieübertragung gesetzt.

Daneben gab es aber vereinzelte Projekte zur Energieübertragung mit Gleichstrom. So wurde von 1906 bis 1936 die Straßenbahn in Lyon über eine 180 km lange Gleichstromstrecke aus einem Wasserkraftwerk bei Moûtiers versorgt. In der Endausbaustufe wurde bei 100 kV eine Leistung von 14,7 MW übertragen. Die hohe Gleichspannung wurde gleich im Kraftwerk durch in Reihe geschaltete Gleichstromgeneratoren erzeugt und in Lyon durch rotierende Umformer wieder heruntergesetzt.

Nach Vorarbeiten in den 1930er Jahren war das Elbe-Projekt die erste für den kommerziellen Einsatz konzipierte Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsstrecke mit Quecksilberdampfgleichrichtern. Sie sollte mit einer Spannung von 200 kV eine Leistung von 60 MW über Erdkabel vom Braunkohlekraftwerk Vockerode an der Elbe nach Berlin übertragen, wurde 1941 begonnen, ist aber nie in Betrieb gegangen.

Ab den 50er Jahren sind dann Anlagen der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) zunächst mit Quecksilberdampfgleichrichtern, Ende der 60er Jahre auch mit Thyristoren realisiert worden. Die Motivation für die Verwendung von Gleichspannung kam dabei aus zwei verschiedenen Richtungen:

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Investitions- und Betriebskosten von Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung und Hochspannungs-Drehstrom-Übertragung.
Bild 1. Investitions- und Betriebskosten von Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung und Hochspannungs-Drehstrom-Übertragung.
© Universität Rostock
  • Für den Energieaustausch zwischen nicht synchronisierten Drehspannungsnetzen kommen HGÜ-Kurzkupplungen zum Einsatz. Es kann sich dabei sowohl um Netze unterschiedlicher Nennfrequenz (üblicherweise 50 Hz und 60 Hz) als auch unsynchronisierte Netze mit gleicher Nennfrequenz handeln.
  • Für den Transport elektrischer Energie über weite Entfernungen bietet die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung den Vorteil eines geringeren Platzbedarfs für die Freileitungen, führt zu geringeren Übertragungsverlusten und benötigt keine Kompensationseinrichtungen zur Blindleistungskompensation. Diese Vorteile sind proportional zu der Übertragungslänge. Dem steht der erhebliche Aufwand für die Umwandlung von Drehstrom in Gleichstrom und wieder zurück in Drehstrom gegenüber, der unabhängig von der Übertragungslänge an beiden Enden der Gleichstromstrecke erfolgt. Daher gibt es eine kritische Länge, oberhalb derer die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung der Drehstromübertragung kommerziell überlegen ist (Bild 1).

Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung ist daher vor allem dann von Interesse, wenn Erzeugung und Verbrauch elektrischer Energie räumlich getrennt erfolgen. Seit jeher ist dies bei der Wasserkraft der Fall, die in großen Speicherkraftwerken im Gebirge erzeugt wird, während die Verbrauchsschwerpunkte in hoch industrialisierten Landstrichen liegen. Im erheblichen Umfang werden in China HGÜ-Verbindungen gebaut, um die in Zentralchina verfügbare Wasserkraft an die Küste zu bringen.

Mit der deutschen Energiewende ergeben sich neue Anwendungsfelder, die eine wesentliche Ursache für den aktuellen Boom der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung sind. Traditionelle thermische Kraftwerke wurden dezentral dort errichtet, wo auch hoher Bedarf an elektrischer Leistung vorlag. Eine regenerative elektrische Energieversorgung auf Basis von PV, Wind und z.B. Wasserspeicherkraftwerken reißt die dezentralen Einheiten aus Erzeugung und Verbrauch auseinander. Insbesondere Strom aus Windenergie wird in großem Umfang zentral in den norddeutschen Bundesländern und Offshore in Ost- und Nordsee erzeugt, während die Verbrauchsschwerpunkte weiterhin in Süd- und Westdeutschland liegen. Speicherkapazitäten für Wasserkraft sind in den Alpen und insbesondere in Skandinavien verfügbar.

Bereits die Verbindung der Offshore-Windparks in der Nordsee mit hinreichend leistungsfähigen Netzknoten des Verbundnetzes erfordert so lange Leitungen, dass sich die Gleichstromübertragung lohnt (Tabelle). Das gilt erst recht für die Weiterleitung von Nord- nach Süddeutschland und für die potenzielle Anbindung norwegischer Wasserkraftwerke.

 Kabellänge (Seekabel)[km]DC-Spannung [kV]Leistung [MW]Hersteller HGÜ-StationTechnik
BorWin alpha 200 (125) ±150 400 ABB Zweipunkt, direkte IGBT-Reihenschaltung
BorWin beta 200 (125) ±300  800 Siemens Modularer Multilevel Converter
BorWin gamma 160 (132) ±320 900    
DolWin alpha 165 (75) ±320 800 ABB Modularer Multilevel Converter mit submodulinterner IGBT-Reihenschaltung
DolWin beta 135 (45) ±320 900    
DolWin gamma 162 (79) ±320 900 Alstrom Modularer Multilevel Converter
HelWin alpha 130 (85) ±250 576 Siemens Modularer Multilevel Converter
HelWin beta 130 (85) ±320 690    
SylWin alpha 205 (160) ±320 864    

Offshore-Windparks an der deutschen Nordseeküste mit HGÜ-Anbindung. (Quelle: Universität Rostock)


So erweist sich die Energiewende als Treiber für die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung in Deutschland. Dabei sei angemerkt, dass der räumliche Ausgleich stark schwankender elektrischer Energieerzeugung aus regenerativen Quellen dem zeitlichen Ausgleich durch lokale Speicherung sowohl von den Investitionskosten als auch vom Wirkungsgrad her ganz klar überlegen ist.


  1. Umrichter für die HGÜ
  2. HGÜ-Technologie
  3. Selbstgeführte HGÜ-Umrichter
  4. Modulare Multilevel-Umrichter
  5. Neue Entwicklungen

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