Kostengünstiger als Netzausbau:

Regelbare Ortsnetztrafos retten die Qualität im Niederspannungsnetz

23. August 2011, 8:44 Uhr | Heinz Arnold

Die Einspeisung aus regenerativen Quellen bringt das Niederspannungsnetz an die Grenzen seiner Belastbarkeit. »Regelbare Ortsnetztrafos können die Netzqualität entscheidend verbessern – zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten«, sagt Ansgar Hinz, Leiter Power Distribution der Maschinenfabrik Reinhausen.

Ansgar Hinz
Ansgar Hinz: »Mit den regelbaren Ortsnetzstationen können wir mehr als 90 Prozent aller Spannungsabweichungen im Niederspannungsnetz ausregeln.«
© Maschinenfabrik Reinhausen

Energie & Technik: Bisher floss der Strom vom Höchstspannungsnetz über das Mittelspannungsnetz und das Niederspannungsnetz wie auf einer Einbahnstraße zum Verbraucher, jetzt speisen die Verbraucher über Windkraftanlagen, Photovoltaik, Biogas und Kraft-Wärme-Kopplungen an verschiedenen Punkten selber ein. Das führt dazu, dass die vorgeschriebenen Spannungsbänder kaum noch eingehalten werden können, insbesondere in ländlichen und vorstädtischen Netzregionen. Wie kann die Netzqualität dennoch aufrecht erhalten werden?

Ansgar Hinz: Bisherige Maßnahmen bestanden darin, neue Energiekabel zu verlegen, also das Netz aus zu bauen. Außerdem können  zusätzliche Trafo-Stationen zur Leistungserhöhung installiert und andere lokale Regelungen, etwa Blindleistungsregelungen, an den Einspeisepunkten für die fluktuierenden Energien wie PV und Wind eingebaut werden.

Was teilweise schon gemacht wird, aber doch recht teuer und technisch nicht immer ausreichend ist?

Genau deshalb haben wir in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen in umfangreichen Studien analysiert, welche Alternativen es gibt. Die Idee für uns liegt nahe, im Niederspannungsnetz genau das zu machen, was im Höchst- und Hochspannungsnetz bereits seit über 100 Jahren Unternehmensgeschichte unsere Kernkompetenz ist Transformatoren zu regeln. Deshalb haben wir ein regelbares Ortsnetz-System entwickelt. Hier flossen die umfangreichen Erfahrungen ein, die wir bisher gesammelt haben: Über 50 Prozent der weltweit erzeugten Energie fließt über unsere Regeleinrichtungen.

Das dann aber kostengünstiger sein muss als die Systeme für die Hochspannungsnetze?

Ja, wir haben uns überlegt, welche Minimalkonfiguration wir benötigen, um die Majorität der Qualitätsprobleme zu beheben. Wir benötigen den Aktor, auch unter dem Begriff Stufenschalter bekannt, der den Trafo hoch und runter stuft, die Sensorik, die die Netzgrößen Spannung, Strom und Phasenwinkel erfasst, und den Regler, der auf Basis der erfassten Netzgrößen und bestehenden Netztopologie den Aktor steuert. Diese Elemente machen den Trafo regelbar. In der Station kommt dann noch die Schaltanlage für die Anbindung an die Mittelspannungsebenen von 20 oder 10 kV hinzu sowie die Niederspannungskoppelung, die den Trafo an das 400-V-Drehstromnetz anschließt. Dieses iPower-System bildet dann eine komplett autarke Station, die die für die Versorgungsqualität notwendigen Netzzustände erfasst und ausregelt. 

Warum besteht das Konzept darin, die Sensorik in die Ortsnetzstationen zu integrieren bzw. anzubinden? Liefern die zur Regelung erforderlichen Daten – zumindest künftig – nicht die Smart Meters?

Alles spricht derzeit von den intelligenten Stromzählern. Sie messen zwar die Netzgrößen, aber dies ist ein zweischneidiges Schwert: Die EVUs haben nicht den unmittelbaren Zugriff auf die Smart Meters, weil sie sich im Zugangsbereich des Hauseigentümers befinden. Außerdem kommen sie sehr teuer, weil konzeptionell jeder Anschlusspunkt mit einem Smart Meter versehen werden soll. Um eine Vorstellung von der Größenordnung zu geben: Es gibt rund 600.000 Verteilstationen in Deutschland, die jeweils zwischen 50 und 250 Haushalte versorgen. Alle Anschlusspunkte mit einem Smart Meter auszustatten, wäre sehr teuer. 

Die Alternative besteht darin, wie auf der Hochspannungsebene, nur strategische Punkte gezielt mit Messsensoren zu versehen. Dann kann man ihre Zahl und daraus resultierend die zu beherrschende Datenmenge deutlich reduzieren. Wie stark die Reduktion ausfällt, ist von der jeweiligen Netztopologie abhängig.

Diese Sensoren geben ihre Daten an die nächst höheren Knoten in der Hierarchie weiter, was in diesem Fall die Ortsnetzstationen sind. Die Ortsnetzstationen führen dann auf Basis ihrer speziell dafür entwickelten Algorithmen die Regelung durch. Auf diese Weise können wir für die Ortsnetze regelbare Trafostationen bieten, die wirtschaftlich im Rahmen dessen bleiben, was sich auch mittelgroße und kleinere EVUs und Stadtwerke leisten können, sich also gegen die Alternative Netzausbau rechnen lassen.

Wie funktioniert der Aktor?

Die derzeit verfügbare Technologie ist der klassische Stufenschalter auf Basis der jahrzentelang bewährten Ölschaltertechnik. Der Regler vergleicht stetig den Soll- mit dem Istwert der Netzspannung (400 V). Bei Bedarf regelt er dann den Schalter und damit die Transformatorspannungen hoch oder runter, beispielsweise in 2,5-Prozent-Schritten. Bei leichter Vergrößerung des Transformators in Länge und Höhe lässt er sich in vielen ungeregelten Stationen nachrüsten. Diese Technologie liefern wir als erstes Unternehmen weltweit bereits in Serie.

Derzeit arbeiten wir zusätzlich am Hybrid-Konzept, der Schalter besteht dann aus zwei Teilen. Die Kombination aus Halbleiter-Schaltelementen und mechanischen Kontaktsystem führt zu einem reduziertem Platzbedarf im Trafo.

Der Leistungsteil sitzt oberhalb des Trafo-Deckels und ist mit IGBTs ausgestattet. Der zweite Teil sitzt im Trafo und übernimmt die Stufung des Transformators in einem leistungslosen Schaltvorgang. Diese Technologie geht im kommenden Jahr in Serienproduktion.

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