Forschung für die Praxis

Klimagerechte Energieversorgung für Gebäude der Zukunft

6. Februar 2023, 10:52 Uhr | Kathrin Veigel
Technikzentrale des RENBuild-Systems im Demowohngebäude des Projektpartners Hanse Haus mit Hochleistungshybridspeichern, optimierter Wärmepumpe und intelligenter Gebäudeautomation.
© Hanse Haus

Das Center for Applied Energy Research und seine Partner aus Wissenschaft und Industrie arbeiten gemeinsam im Forschungsprojekt RENBuild an einer klimagerechten Energieversorgung für Gebäude. Nach drei Jahren Forschung im Labor erfolgt nun die Praxiserprobung in ersten Gebäuden.

Die Ansprüche an die Energieversorgung von Gebäuden steigen zunehmend. Die notwendige Reduzierung von klimaschädlichen Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor erfordert dort die Einbindung eines hohen Anteils erneuerbarer Energien. Bis 2045 soll in Deutschland ein klimaneutraler Gebäudebestand realisiert sein. Gleichzeitig erhöhen sich häufende Hitzeperioden den Wunsch nach Klimatisierung. Gerade in den Innenstädten leiden vulnerable Bevölkerungsgruppen an Hitzetagen, wenn Temperaturen über 30 °C erreicht werden. Im letzten Jahr kam dazu noch der Wunsch nach verlässlichen Energiequellen und Energiepreisstabilität.

Das vor gut drei Jahren mit Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gestartete Forschungsprojekt RENBuild hat genau die vorgenannten Aspekte im Fokus. So wird ein Gesamtsystem zur kombinierten regenerativen Versorgung von Gebäuden mit Wärme, Kälte, Strom und Frischluft entwickelt. Dieses soll bis Ende 2023 in der Praxis erfolgreich getestet werden.

Projektbeteiligte sind unter der Federführung des Center for Applied Energy Research (CAE) in Würzburg, die Universität Paderborn sowie die Unternehmen PA-ID Automation und Vermarktung, Neuberger Gebäudeautomation, Dipl.-Ing. Hölscher, ESDA Technologie, Ratiotherm, Renz Solutions und Hanse Haus. Das Forschungsvorhaben wird mit circa drei Millionen Euro gefördert.

Das RENbuild-System besteht aus solaren Hybridkollektoren, die elektrische Energie, Wärme- oder Kälteenergie bereitstellen können, einem kombinierten Hochleistungs-Wärme-/Kältespeicher, einem flexiblen Wärmepumpensystem und einer intelligenten Gebäudeautomation, welche die Energieflüsse je nach Bedarf regelt und steuert. Jede Komponente wurde im Projekt weiterentwickelt und unter den Gesichtspunkten der Systemintegrierbarkeit optimiert.

Wärmepumpe steht im Fokus

Ein zentrales Element stellt die multivalente, reversible Wärmepumpe dar. Dabei nutzt die Wärmepumpe gleich mehrere Wärmequellen bzw. Wärmesenken – eben multivalent – und wird zum Heizen und Kühlen, das heißt reversibel, eingesetzt. Ein großer Vorteil der eingesetzten Hybrid-Kollektoren gegenüber Luftwärmetauschern ist deren absolut lautloser Betrieb sowie die Möglichkeit der Nutzung vorhandener Dach- oder Fassadenflächen. Immissionsschutz sowie fehlende Stellflächen für den Wärmetauscher stellen somit kein Hindernis für den Einsatz einer Wärmepumpe dar.

Die Vermeidung eines Flächenkonflikts auf dem Dach zwischen Photovoltaik und Solarthermie ist ein weiterer Vorteil der Hybrid-Kollektoren. Die genannten Punkte machen den im Projekt verfolgten Ansatz grundsätzlich auch für den dicht bebauten städtischen Bereich beziehungsweise für Nachrüstungen im Gebäudebestand interessant. So könnte das System auch dort eingesetzt werden, wo weder Erdsonden realisiert werden können, noch geeignete Stellflächen für Luftwärmetauscher zur Verfügung stehen.

Um vorhandene Umweltenergie möglichst effizient zu nutzen, werden im RENBuild-System Latentwärmespeicher, sogenannte PCM-Hybrid-Speicher, mit einer damit etwa dreifach höheren Speicherfähigkeit als herkömmliche Wasserspeicher eingesetzt. Diese speichern die erzeugte Wärme oder Kälte für die spätere Nutzung zwischen. Die Speicherbeladung kann prinzipiell sowohl rein passiv über die PVT-Kollektoren als auch Wärmepumpen-unterstützt erfolgen. Wobei hier die Wärmepumpe vorrangig mit dem zeitgleich erzeugten PV-Strom betrieben werden soll.

Der Clou am System ist, dass es mit Hilfe der Wärmepumpe möglich ist, Wärme und Kälte gleichzeitig zu erzeugen. Die Wärmepumpe entzieht dem Kältespeicher die Wärme, das heißt kühlt diesen, und führt diese Wärme dem Wärme- bzw. Warmwasserspeicher mit einer höheren Temperatur zu. Perspektivisch ermöglicht die Einbindung dieser Hochleistungsspeicher auch netzdienliche Betriebsweisen, immer dann, wenn es ein Überangebot an Strom gibt.

Die intelligente Steuerung und Regelung sichert einen energieoptimierten Anlagenbetrieb, bei dem sogar die Wetterprognose berücksichtigt wird. Das Gesamtsystem weist dadurch einen hohen Eigenverbrauch des selbsterzeugten PV-Stroms und dadurch einen deutlich geringeren Strombezug aus dem Netz auf, im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen.

Tempo bei der Umsetzung

Eine Herausforderung im Projekt war und ist die hohe Umsetzungsgeschwindigkeit mit der Forschungs- und Entwicklungsansätze in die Praxis gebracht werden. So wurden am CAE zu Projektbeginn Einzelkomponenten in Versuchsständen untersucht, im Technikum des Instituts wurde ein realitätsnaher Prototyp des neu entwickelten Energiesystems getestet, bevor das System in einem Musterhaus in Estenfeld bei Würzburg installiert wurde.

Dabei wurden permanent aktuelle Erkenntnisse berücksichtigt und das System laufend optimiert. »Forschung muss hier mehr leisten, als gute Ideen und neue Erkenntnisse, sie muss auch die Ideen mit innovativen Partner schnell in die Praxis bringen«, so CAE-Vorstand Hans-Peter Ebert.

Frühzeitig wurde mit den Planungen für zwei Demonstrationsgebäude (ein Wohnhaus und ein Bürogebäude) begonnen. Das Wohngebäude ist seit Herbst vergangen Jahres in Betrieb. Hanse Haus ist zuversichtlich, dass nach Projektabschluss eine weitere Option für ein regeneratives Komplettsystem zur Verfügung steht. Mit diesem System kann durch die auf dem Hausdach gewonnene Umwelt- und Sonnenenergie der Energiebedarf zum Heizen, Kühlen und Lüften sowie der Strombedarf eines Wohnhauses zum größten Teil regenerativ abgedeckt werden. Das Bürogebäude soll bis zum Sommer 2023 in Betrieb gehen. Beide Gebäude durchlaufen noch dieses Jahr eine intensive Messphase.

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