Lieber HGÜ-Vollverkabelung

»3- bis 5mal teurer kommen Kabel schon«

15. Dezember 2014, 13:42 Uhr | Heinz Arnold
Professor Christian Rehtanz, TU Dortmund, legt Wert auf die Feststellung, dass die Entscheidung für eine Technologie nur nach genauer Betrachtung des Einzelfalles erfolgen darf.
© TU Dortmund

Prof. Christian Rehtanz, Leiter des Instituts Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft der TU Dortmund, erklärt, dass die Entscheidung für Freileitungen oder Kabel fallspezifisch erfolgen muss. Ab einem gewissen Teilverkabelungsgrad kann die Vollverkabelung eine vorteilhafte Option sein.

Energie & Technik: Wir schätzen Sie die Kosten von HGÜ-Kabelsystemen gegenüber HGÜ-Freileitungen ein?

Prof. Christian Rehtanz: Die reinen Kosten für das Kabelsystem, die natürlich nur einen Teil der Kosten ausmachen, da ja bei HGÜ die Umrichter die teuren Komponenten sind, liegen bei Kabeln deutlich höher. Bei Drehstrom geht man von dem Faktor 4 bis 8 aus. Dieses liegt allerdings meist daran, dass man anstatt einem System Freileitung zwei Kabelsysteme verlegen muss. Bei Gleichstrom sind die Faktoren, wenn man ein Freileitungssystem durch ein Kabelsystem ersetzt, dann geringer, aber ein Faktor 3 bis 5 ist allemal realistisch. Wie gesagt, dieses sind nur die Kabelkosten, nicht die Gesamtsystemkosten inkl. Umrichter, da ist der Faktor geringer. HGÜ-Kabelsysteme sind bei längeren Strecken aber deutlich günstiger als Drehstrom-Kabel.

Welche Argumente sprechen aus Ihrer Sicht für Freileitungen?

Es gibt eine Reihe von Argumenten, die für Freileitungen sprechen. Fehler heilen durch die Luftisolation selbst. Störungen können viel schneller beseitigt werden. Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit steigen daher. Der Eingriff in den Boden ist bei Freileitungen geringer, es gibt keine Austrocknung und Ertragsveränderungen für die Landwirtschaft. Infrastruktur kann leichter gekreuzt werden, Trassenbündelungen mit Bahn und Autobahn ist leichter.  Bei Kabeln müssen breite Schneisen von Bewuchs freigehalten werden, Wald muss gerodet werden. Freileitungen lassen sich sogar über den Wald hängen, so wie es in der Schweiz gemacht wird. Dadurch entstehen keine windanfälligen Schneisen etc. Nach Abwägung der Umweltbeeinflussung sind mal Kabel und mal Freileitungen die bessere Lösung. Je nachdem, welche Prioritäten man setzt.

Also besteht der beste Weg darin, Teilverkabelungen durchzuführen?

Die häufig diskutierte Teilverkabelung halte ich für ungünstig, wenn längere Strecken oder mehrfach Abschnitte teilverkabelt werden. Dieses gilt für Dreh- oder Gleichstrom. Bei HGÜ würde ich aber immer prüfen, ob ab einem gewissen Teilverkabelungsgrad nicht eine gesamte Verkabelung eine Alternative ist, die letztendlich auch zu einer anderen Trasse führen kann. Andererseits muss man sagen, dass im Moment neue kunststoffisolierte 525 kV-HGÜ-Kabel schon sehr innovativ sind und sich erst beweisen müssen.

Stellt das neue kunststoffisolierte 525-kV-Kabel tatsächlich einen Durchbruch dar?

Ja, es ist ein Innovationssprung, der zu einfacheren Muffen führt und zu insgesamt günstigeren Kabeln. Wenn man an den Muffen keine Bauwerke macht, sondern eine direkte Erdverlegung, wie ABB das bei kleineren Spannungsebenen durchführt, senkt das die Kosten. 

Die Kosten der Kabelverlegung hängen aber immer stark vom Gelände und von Kreuzungspunkten ab. Das jahrelang weltlängste HGÜ-Landkabel in Australien konnte direkt mit einem Pflug in die Erde gepflügt werden. Da waren die Kosten der Verlegung natürlich sehr gering. Wenn man durch dicht besiedelte Gebiete mit Infrastrukturkreuzungen muss, ist das sehr aufwendig und dem entsprechend teuer.


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