Kabel und Strombegrenzer sind erst der Anfang

Supraleiter – Schlüsseleemente für das Smart Grid

30. Januar 2012, 16:37 Uhr | Heinz Arnold
Dr. Wilfred Goldacker, KIT: »Mit Supraleiter-Kabeln lassen sich 110-kV-/10-kV-Umspannwerke teilweise eliminieren, zumindest könnten sie künftig an die Standränder angesiedelt werden. Die Vision besteht darin, Mittelspannungsringe um die Städte zu legen und mit Supraleitern den Strom in die Stadtkerne zu übertragen.«
© KIT

Ein Supraleiterkabel wird zwei Umspannwerke in Essen verbinden. AmpaCity heißt das Projekt, das vom Karlsruher Institut für Technik (KIT) sowie von RWE und Nexans SuperConductors realisiert wird. Dr. Wilfred Goldacker vom KIT informiert darüber im Interview mit Energie & Technik.

»Wir zeigen mit dem Projekt, dass Supraleiter verlässlich sind und künftig wesentliche Elemente im Smart Grid bilden. Schon heute sind sie unter manchen Bedingungen wirtschaftlich sinnvoll«, betont Goldacker.

Energie & Technik: Das mit 1 km längste Supraleiterkabel der Welt, das jetzt in Essen zwei Umspannstationen verbinden soll, zeigt, wie die Energieverteilnetze der Zukunft aussehen könnten. Was ist neu und welche Vorteile bringen die Supraleiter?

Dr. Wilfred Goldacker: Zunächst einmal nehmen Supraleiterkabel weniger Platz weg als die traditionellen Kupferkabel – bei gleichem Volumen können sie bis zu fünfmal mehr Energie übertragen. Sie eignen sich also gerade in städtischen Gebieten, wo Platz Mangelware ist.
Vor allem wollen wir aber zeigen, dass die Supraleiter es erlauben, das Stromnetz umzubauen. So lassen sich 110-kV-/10-kV-Umspannwerke teilweise eliminieren, zumindest könnten sie künftig an die Standränder angesiedelt werden. Die Vision besteht darin, Mittelspannungsringe um die Städte zu legen und mit Supraleitern den Strom in die Stadtkerne zu übertragen.

Das System in Essen besteht nicht nur aus dem Supraleiterkabel, sondern auch aus einem Strombegrenzer auf Basis von Supraleitern. Welchen Vorteil bringt das?

Die Supraleiter-Fehlerstrombegrenzer lassen den Strom im supraleitenden Zustand praktisch verlustfrei passieren. Übersteigt die Stromstärke eine gewisse Grenze, so bricht die Supraleitfähigkeit plötzlich zusammen und der Begrenzer wirkt als Widerstand, der das Anwachsen auf sehr hohe Ströme blockiert. Das Schöne daran: Sobald die Stromstärke – zum Beispiel nach einem Kurzschluss durch Blitzschlag – wieder auf dem normalen Niveau liegt, setzt die Supraleitung wieder ein und der Strom fließt wie vor dem Ereignis. Bisher übernehmen Sicherungen oder Schalter die Schutzfunktionen, hier muss aber mit großem Aufwand der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt werden – das kann sehr hohe Kosten verursachen. 

Zuverlässigkeit der Smart Grids steigt

Bringen die Supraleiter-Begrenzer auch Vorteile für den Aufbau des Stromnetzes?

Ja, die Zahl der benötigten Einspeisepunkte vom 110- ins 10-kV-Netz verringert sich, die Versorger sparen sich also teure Transformatoren. Mit Strombegrenzern lassen sich einfachere und dadurch sichere Netze strukturieren, sie erhöhen damit die Zuverlässigkeit und die Effizienz der künftigen Smart Grids. Die Schutzeinrichtung stellt auch sicher, dass aus lokalen Störungen keine kaskadenartigen Netzausfälle entstehen, deren Wahrscheinlichkeit in konventionell geschützten Netzen mit der Auslastung wächst.

Es gibt verschiedene Prinzipien, auf denen sich die Strombegrenzer aufbauen lassen, etwa resistive und induktive Typen. Warum kommt in Essen ein resistiver Typ zum Einsatz?

Die verschiedenen Typen haben ihre Vor-und Nachteile, es kommt auch immer auf das Einsatzgebiet an. Den resistiven Typ können wir gut auf die geforderten Bedingungen anpassen. Die Begrenzer müssen mit kurzeitigen Ereignissen wie Blitzschlägen genauso zurecht kommen wie mit dem Ein-und Ausschalten großer Verbraucher oder Netzstörungen  wie Transformatorbrände. Den Begrenzer für Essen legt Nexans genau auf die Anforderungen der dort zu erwartenden Störfälle aus.

Welcher Typ von Supraleitern kommt zum Einsatz?  

Wir verwenden in Essen die Supraleiter der ersten Generation. Die Supraleiter-Materialien der ersten Generation werden als Pulver in Metallröhren gefüllt und über einen aufwändigen Prozess zu Drähten verarbeitet. Die Supraleiter der zweiten Generation produzieren die Hersteller mit Hilfe einer anderen Methode:  sie scheiden die Supraleiter als dünne Schichten auf einem Trägerband aus Metall ab. Während in der ersten Generation noch ein hoher Silberanteil bis 60 Prozent erforderlich ist, kommt die zweite Generation fast ohne Silber aus.

Welche Vorteile haben die Kabel auf Basis der zweiten Generation?

Sie werden sich in Zukunft zu niedrigeren Kosten fertigen lassen, schon wegen des geringen Anteils an teurem Silber. Außerdem erreichen sie eine sehr viel höhere Stromtragfähigkeit. Die erste Generation kommt auf 180 A – ohne den Einfluss von Magnetfeldern. Heute auf dem Markt erhältliche Leiter der zweiten Generation erreichen schon  400 A, im Labor sogar über 1000 A. Sie verfügen also über ein sehr hohes Potenzial. Ein weiterer Vorteil: Ihre Eigenschaften unter dem Einfluss von Magnetfeldern sind besser als die der Leiter der ersten Generation. Und die Hersteller können jetzt viele Kilometer fertigen, das ist ein wichtiger Schritt in die Zukunft.


  1. Supraleiter – Schlüsseleemente für das Smart Grid
  2. Kostengünstiger als Kupfer
  3. Supraleiter für Transformatoren, Windräder und Übertragungsnetze

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