Der City Mobility Simulator von TUMCREATE-Forschern unterstützt Singapur bei der Elektrifizierung des Verkehrs und berechnet den Anteil der Wärme in der Stadt, der vom Verkehr verursacht wird. In Deutschland hilft CityMoS bei der E-Transformation eines Logistikterminals von DHL Freight.
Welche Auswirkungen hätte es für die Umwelt, wenn vier von fünf Fahrzeugen im Straßenverkehr elektrisch betrieben würden? Was bedeutet es für die Reisezeiten der Passagiere, wenn eine zentrale U-Bahnlinie plötzlich ausfällt? Wie viel Hitze geht vom Verkehr aus? Das sind die Fragen, die der City Mobility Simulator (CityMoS), entwickelt von Forschern der Außenstelle der Technischen Universität München (TUM) TUMCREATE in Singapur, beantworten kann. Das Simulationsprogramm analysiert das Pendlerverhalten, berücksichtigt den öffentlichen Nahverkehr und erkennt generelle Bewegungsmuster – bezieht also nicht nur den Verkehr, sondern alle Mobilitätsfaktoren in seine Berechnungen mit ein.
»CityMoS ist der modernste Mobilitätssimulator, den ich kenne«, erklärt Prof. Alois Knoll von der TUM, »einerseits, weil er für Rechner mit Mehrkernprozessoren optimiert ist, auf handelsüblichen Computern laufen kann und deren parallele Systeme eine quasi unbegrenzt hohe Simulationsgeschwindigkeit ermöglichen, andererseits, weil Ko-Simulationen unterschiedlichster Art möglich sind.« Andere Simulationen, etwa von Elektrizitätsnetzen, können also an CityMoS gekoppelt werden. Damit kann die voraussichtliche Entwicklung von Verkehrssituationen oder -aufkommen im Voraus berechnet werden.
»Im Vergleich zu existierenden Produkten auf dem Markt schafft CityMoS die Simulation der Mobilität für ganze Städte in mikroskopischer Auflösung«, so Dr. David Eckhoff, der als Informatiker Ende 2016 zum TUMCREATE-Team hinzugestoßen ist und nun die Weiterentwicklungen von CityMoS leitet.
Entwickelt wurde das System nicht in Deutschland, sondern in Singapur. Schon vor mehr als zehn Jahren hatte sich Prof. Wolfgang Herrmann als damaliger Präsident der TUM für einen stärkeren Forschungsaustausch zwischen dem Stadtstaat und der TUM eingesetzt. So entstand die Forschungskooperation »TUM Campus for Research Excellence and Technological Enterprise« (TUMCREATE). Seit 2010 werden die TUM sowie ihre vielen Kooperationspartner, darunter etwa die Nanyang Technical University (NTU), durch die National Research Foundation (NRF) der singapurischen Regierung finanziert.
Die Partner profitieren dabei von Niederlassungen weltweit führender Forschungsinstitutionen, wie etwa dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), der University of Cambridge oder der ETH Zürich, die sich ebenfalls auf dem Campus befinden. Die NRF unterstützte bereits zwischen 2010 und 2021 Initiativen im Bereich der Mobilitätsforschung mit mehr als 70 Millionen Euro: Durchgehend mehr als hundert Wissenschaftler haben hier für TUMCREATE nach neuen Lösungen für Mobilität in Megacities gesucht.
»Simulationen dienen als virtuelle Testlabore, sind aber letztlich nur so gut wie die Daten, die in sie hineinfließen«, erläutert der TUMCREATE-Wissenschaftler Eckhoff: »Mit CityMoS sind wir in der Lage, ganz Singapur zu simulieren – jedes Auto individuell.« Der Vorteil des Standortes Singapur: Die staatliche Land Transport Authority stellt in ihrer DataMall öffentlich viele Daten zur Verfügung, die bei der Modellierung der Stadt helfen.
Hier kommt CityMoS aktuell zum Einsatz:
»Das erklärte Ziel von TUMCREATE liegt darin, exzellente Forschung zu betreiben und auf dieser Basis zusätzliche Industriegelder einzuwerben«, erläutert Professor Knoll von der TUM. Ein großer Schritt in diese Richtung ist das von ihm initiierte und von Dr. David Eckhoff geleitete MoVES-Labor (Mobility in Virtual Environments at Scale), ein Joint-Lab, das vom Technikkonzern Huawei unterstützt wird.
»Hier haben wir derzeit 13 Mitarbeiter beschäftigt. Unser Ziel ist es, CityMoS zu einem marktreifen Simulator zu entwickeln«, so Laborleiter Eckhoff. Dieser hat zusammen mit zwei TUM-Kollegen ein weiteres Eisen im Feuer – das frisch gegründete Spin-off intobyte, das im letzten Schritt aus dem reifen Prototyp ein erfolgreiches Produkt machen soll.