Dr. Patrick Graichen, einer der vehementesten Befürworter einer grundsätzlichen Energiewende aus Klimaschutzgründen, gesteht dem Magazin Die Zeit, dass sich die Experten der Energiewende vergaloppiert haben. Das könnte nicht das letzte Mal gewesen sein.
Dr. Patrick Graichen, ehemals Referatsleiter für Energie- und Klimapolitik im Bundesumweltministerium und dort für nationale und internationale Klimapolitik zuständig, ist heute Geschäftsführer der Denkfabrik Agora Energiewende. Denkfabriken sind deutsche Ausgaben amerikanischer Lobby-Institutionen, die finanziert werden, um für bestimmte Anliegen intellektuell anspruchsvolles Lobbying zu betreiben. Agora Energiewende spricht in der Person Dr. Graichens quasi für die Initiatoren der Energiewende. In der Zeit leistet er den Offenbarungseid.
Graichen sagt dem Magazin: »Wir haben uns geirrt bei der Energiewende. Nicht in ein paar Details, sondern in einem zentralen Punkt. Die vielen neuen Windräder und Solaranlagen, die Deutschland baut, leisten nicht, was wir uns von ihnen versprochen haben. Wir hatten gehofft, dass sie die schmutzigen Kohlekraftwerke ersetzen würden, die schlimmste Quelle von Treibhausgasen. Aber das tun sie nicht.«
Auf Deutsch: Keiner der Energiewende-Experten hatte bedacht, dass auf Strommärkten, wie auf allen Märkten, das billigste Angebot ansonsten identischer Ware schneller verkauft wird. Dass in sonnen- und windreichen Zeiten regenerative Energien höchsteffiziente Gaskraftwerke wegen des dort so genannten »Merit-Order-Effektes« verdrängen würden, war für die Experten nicht vorstellbar.
Dr. Graichen nennt diese Entwicklung »Energiewende-Paradox«. Aber da ist nichts Paradoxes, sondern alles folgt den normalen Regeln der Strombörsen. Die eigene Kurzsichtigkeit auf das Scheitern des korrupt-kriminellen CO2-Marktes zu schieben, greift zu kurz. Zwar können viele Deutsche »Börse«, »Märkte« und »Wirtschaft« nicht leiden und lernen aus Protest nur wenig über sie. Von »Experten«, die das Wohl einer Volkswirtschaft in den Händen halten, sollte man Gleiches aber verlangen dürfen.