Alternative Energiequellen

Energie aus Meereswellen - 2000 TWh sind möglich

21. Dezember 2010, 9:52 Uhr | Ralf Higgelke
Bild 1: Der »Ocean Harvester« nutzt eine bojenähnliche Konstruktion, die mit einem Ankerseil auf dem Meeresgrund fixiert ist, um aus der Meeresbewegung Energie zu ernten

Aus Meereswellen lässt sich Energie gewinnen. So schätzt der Weltenergierat das Potenzial in Gebieten mit guten Wellenbedingungen auf 2000 TWh weltweit. Ein hierzu laufendes Projekt nutzt eine bojenähnliche Konstruktion, die mit einem Ankerseil auf dem Meeresgrund fixiert ist. Sorgt eine Welle für Auftrieb, hebt sich die Boje und diese Energie kann geerntet werden.

Statistisch gesehen lassen sich für beliebige Standorte in Küstennähe durchschnittliche Wellenzustände ermitteln und Anlagen entsprechend optimieren. Gezeiten, Winterstürme, laue Sommerbrisen: Alles hat Einfluss auf die Meeresoberfläche. Ein Wellenkraftwerk muss deshalb so flexibel konzipiert sein, dass es diesen Veränderungen extrem dynamisch folgen kann. Wie aber lassen sich Wellen so authentisch wie möglich simulieren und daraus Schlüsse für zukünftige Kraftwerke ziehen?

Diese Frage galt es für die Testeinrichtung der Ocean Harvesting Technologies zu lösen. Als Grundlage wurden Wellenmodelle des Blekinger Technologieinstituts verwendet. Herzstück bilden Servoregler der Reihe »9300« von Lenze mit Kurvenscheibentechnologie. Die Testeinrichtung ist darauf ausgelegt, robuste Systeme zu konzipieren, mit denen sich die Wellenenergie auf den Ozeanen möglichst effizient ernten lässt. Das Prinzip des »Ocean Harvester« nutzt dafür eine bojenähnliche Konstruktion, die mit einem Ankerseil auf dem Meeresgrund fixiert ist (Bild 1).

Sorgt eine Welle für Auftrieb, hebt sich die Boje und erreicht so ein höheres Energieniveau. Dieses wird auf zweierlei Art genutzt: Zunächst treibt das Ankerseil direkt eine erste Trommel an, die wiederum einen in die Boje eingebauten mechanischen Nebenantrieb in Vorwärtsrichtung speist, der den Generator antreibt. Dann wird eine zweite Trommel mit einem an einem Gegengewicht befestigten Kabel in eine Richtung gedreht, die das Gegengewicht anhebt, während im Nebenantrieb ein konstantes Drehmoment aufrechterhalten wird. Senkt sich die Boje im nächsten Wellental wieder, wird die Antriebswelle im Nebenantrieb am Rücklaufen gehindert, während das Gegengewicht weiterhin den Generator mit der zuvor gespeicherten kinetischen Energie antreibt.

Der oszillierende Seegang wird energetisch begradigt, sodass der Generator gleichmäßig ausgelastet wird, was für eine effiziente Energieumwandlung und entsprechende Stromqualität sorgt. Gleichzeitig reduzieren sich die Größe und Kosten der Komponenten. Die Energieentnahme des geplanten Wellenkraftwerks wurde mit Computersimulationen und einem Versuchsaufbau an Land getestet, wobei elektronische Kurvenscheiben der Servoregler vom Typ »9300« von Lenze die Intensität und Frequenz von Meereswellen nachbilden.

Zentrale Herausforderung der mittels Kurvenscheibentechnologie gelösten Antriebsaufgabe sind sich ständig wieder neu anpassende Geschwindigkeiten und Fahrwege entlang einer Zeitachse. So gesehen sind Kurvenscheiben prädestiniert dafür, Wellen zu simulieren. Was in den Industrieanwendungen zu butterweichen und mechanikschonenden Fahrprofilen führt, dient bei Ocean Harvesting der Nachahmung der Natur. Auf Seite der Elektromechanik sind dafür MCA-Asynchron-Servomotoren mit einem hochpräzisen Planetengetriebe eingebaut.

Da bis zu acht Kurvenscheiben im Antriebsregler speicherbar sind, erfolgt die Umschaltung zwischen diesen Kurven während der Tests verzögerungsfrei. Durch Dehnen und Stauchen der Kurven lässt sich der Prozess zudem einfach feinabstimmen. Dafür stellt Lenze den »Cam Editor« zur Verfügung, der die Eingabe und das Importieren von Bewegungsprofilen, Kennlinien und Nocken sowie deren Optimierung per Mausklick erlaubt.

Ocean Harvesting Technologies entwirft momentan ein Modell für Seeversuche, das bereits 2011 eingesetzt werden und eine Nennleistung von 50 kW abgeben soll. Dabei stellt sich die Anlage auf die widrigsten Bedingungen ein: Wenn der Seegang die Kapazität des Wellenenergieumwandlers übersteigt, lässt man die überschüssige Energie »überlaufen«. Eine Systemüberlastung wird vermieden. So lässt sich eine stabile Energieproduktion unter verschiedensten Bedingungen gewährleisten. Auch sind Wellenenergieanlagen skalierbar. Mehrere Wellenenergieumwandler lassen sich in Gruppen einsetzen, bis die gewünschte Kapazität im Bereich von 100 MW bis 200 MW erreicht wird. Zudem können sie mit Offshore-Windanlagen kombiniert werden, da beide Energiearten nicht um die gleichen Energieressourcen buhlen, sondern sich ergänzen.

Elektronische Kurvenscheiben
Im Vergleich zu mechanischen Lösungen ist bei elektronischen Kurvenscheiben die Bewegungstrimmung über Softwarefunktionen einfacher, flexibler und sicherer reproduzierbar. Ein zweiter Vorteil ist das Umschalten auf andere Bewegungsprofile in weniger als einer Millisekunde, da die verschiedenen Kurven im Speicher der Antriebsregler unmittelbar zur Verfügung stehen. Als »Drive-based Automation« hat Lenze diese Form der Antriebssteuerung in die Servoregler der Reihen »Servo Drives 9400«, »ECS« und »9300 Servo« implementiert und bietet in Kombination mit der Elektromechanik komplette Antriebslösungen

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