Hervorragende Karrierechancen für Elektroingenieure

Erneuerbar beschäftigt

21. Oktober 2010, 10:24 Uhr | Corinne Schindlbeck
Jens Milnikel, Partner bei Oliver Wyman, über den Fachkräftebedarf der Photovoltaikbranche: »Eine Branche wird erwachsen – die Technologie ist reifer geworden, nun braucht es Fachkräfte und erfahrene Manager, die die Entwicklung vorantreiben«.
© Oliver Wyman

Mit dem Boom der erneuerbaren Energien wird Strom zum allumfassenden Energieträger – und Elektroingenieure zum begehrten Humankapital. Besonders der Ausbau der Stromnetze, die Elektromobilität sowie wie boomende Windkraft verschlingt Fachkräfte. Die bevorstehende Konsolidierung der Photovoltaikbranche bedeutet kein Nachlassen des Fachkräftebedarfs – im Gegenteil.

Bereits in diesem Jahr würden Unternehmen 3500 zusätzliche Stellen für Elektronikingenieure schaffen, sagt der VDE – wenn sie sie adäquat besetzen könnten. Viele dieser Jobs sind in der Branche der Erneuerbaren Energien zu finden, im Bereich E-Mobility sowie im Zuge der Entwicklung neuer, intelligenter Stromversorgungen. Im Rennen um neue Speichertechnologien für Erneuerbare Energien präsentierte jüngst das Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel zusammen mit dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg in Stuttgart eine Methode, Strom aus erneuerbaren Energien in erneuerbares Erdgas – EE-Methan – umzuwandeln. Als Spin-off ausgegründet, will das Unternehmen SolarFuel nun den Markt erobern. Den Hauptpreis der deutschen Gaswirtschaft für Innovation und Klimaschutz 2010 hat SolarFuel schon mal eingeheimst.

Der Innovationsbedarf ist riesig und ein spannendes Einsatzfeld für Ingenieure und Techniker. Ihre Chancen stehen bestens. Wie der VDE-Vorstandsvorsitzende Dr. Hans Heinz Zimmer betont, hänge allein das Gelingen des Geschäftsfeldes Elektrofahrzeuge entscheidend von Elektroingenieuren und deren Innovationskraft ab, da allein 70 Prozent der Wertschöpfung von der Batterie und dem elektronischen Antriebssystem inklusive Leistungselektronik abhingen. Oder, wie es Zimmer formuliert:  »Die gesamte Automobilbranche wird die Sprache der Elektrotechnik lernen müssen. Das neue Stromzeitalter, davon können wir fest ausgehen, wird die bestehende Ingenieurlücke noch weiter aufreißen können als unsere Prognose.«

Laut einer neuen wissenschaftlichen Studie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit schafft der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland sogar deutlich mehr Arbeitsplätze, als bislang angenommen. 2009 arbeiteten bereits rund 340.000 Menschen in Branchen zur Erzeugung von Strom, Wärme oder Treibstoffen aus erneuerbaren Quellen. Das ist mehr als eine Verdopplung gegenüber 2004 und deutlich höher als die bisherigen Schätzungen. Zudem bestätigte die Studie frühere Untersuchungen, nach denen ein ambitionierter Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland zu eindeutig positiven Netto-Beschäftigungswirkungen führt, verglichen mit einer Energieversorgung, die weitestgehend auf erneuerbare Energien verzichtet.

Zwar steht der erfolgsverwöhnten Photovoltaikbranche eine Konsolidierung bevor. Doch das heißt nicht, dass die Nachfrage nach qualifiziertem Personal vorbei ist. Günther Wätzold, mit seiner PMC Personalberatung auf Photovoltaik spezialisiert: »Die Branche braucht weiterhin viele Fachkräfte. Ingenieure und Techniker mit Schwerpunkt Energietechnik sind besonders gefragt, aber auch Serviceleute und Vertrieb.« Und Graf Reischach, Geschäftsführer der Personalberatung Interconsult, ergänzt: »Ohne Konsolidierung wäre die Ingenieurslücke noch größer. Es gibt schlicht nicht genügend qualifizierte Ingenieure.«

Der Markt für die Photovoltaik-Branche wird härter, auch wenn die bevorstehende Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes laut Experten aktuell zu einer Sonderkonjunktur führte. So erwartet die Unternehmensberatung Roland Berger, dass in den nächsten fünf Jahren nur rund die Hälfte der heute etwa 50 größeren deutschen Solarunternehmen überleben wird.  

Gleichzeitig ist der Auslandsumsatz der deutschen Solarindustrieunternehmen nach Angaben des Verbandes BSW innerhalb von nur drei Jahren von etwa 0,6 auf über 2 Milliarden Euro im Jahr 2007 gestiegen. Das entspricht einer Auslandsquote von rund 40 Prozent. Die Hauptabsatzmärkte liegen dabei in Europa, vor allem in Spanien. Und die weltweite Nachfrage nach Solartechnik soll in den nächsten Jahren weiter steigen, und zwar laut BSW mit voraussichtlich jährlich zweistelligen Wachstumsraten. Und deutsche Photovoltaikzulieferer und Hersteller rechnen mit einem erheblichen Anteil an diesem Marktwachstum. Die Branche strebt langfristig einen Anteil von 20 Prozent am Weltmarkt und eine Exportquote von 75 Prozent an, so der BSW.

Jens Milnikel, Experte für Photovoltaik und Partner bei Oliver Wyman, sieht die Photovoltaikbranche vor einer Konsolidierung und Professionalisierung, mit der weiterhin Bedarf an hochqualifiziertem Personal einhergehe. »Eine Branche wird erwachsen – die Technologie ist reifer geworden, nun braucht es Fachkräfte und erfahrene Manager, die die Entwicklung vorantreiben«, erklärt er. Besonders gut schätzt er daher die Chancen für Ingenieure aus der verwandten Halbleiterbranche ein. »Hier findet häufig ein Wechsel zur Photovoltaik statt«, weiß Milnikel, der selbst sieben Jahre für Infineon in verschiedenen Positionen gearbeitet hat. Als lohnende Studienschwerpunkte nennt er Elektrotechnik, aber auch Wirtschaftsingenieurswesen mit Schwerpunkt Elektrotechnik. Gerade letztere seien für Aufgaben in Projektierung, Vertrieb oder Installation gefragt. Und auch im Bereich Forschung und Entwicklung habe Deutschland trotz seiner Marktführerschaft Nachholbedarf, im weltweiten Vergleich hinke das Land hinterher. Ergo: »Die Nachfrage ist da, die Jobchancen bleiben definitiv gut!«, schließt der Experte. »Nicht nur bei großen deutschen Herstellern – auch amerikanische und asiatische Firmen drängen auf den deutschen Markt und werden Personal für Niederlassungen und Repräsentanzen suchen.«

Ein weiteres starkes Wachstumsfeld ist die Windenergie. Auf der jüngst zu Ende gegangenen Messe Husum WindEnergy stand insbesondere der Windenergiearbeitsmarkt im Fokus des Interesses. Im Jahr 2030 soll die Windenergie in Deutschland fast ein Viertel des Strombedarfes decken – fünfmal so viel wie heute. Auch diese Branche klagt über zu wenige gut ausgebildete Ingenieure und Techniker. Denn nach einer Studie der TGMC Management Consulting GmbH, Hamburg, befürchten derzeit viele Führungskräfte, dass der Bedarf an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht befriedigt werden kann, auch zukünftig nicht. Personalberater wie die TGMC grasen vor allem den Maschinenbau und die Automotive-Industrie ab, um qualifiziertes Personal für ihre Wind-Kunden zu finden. Doch die Windindustrie schaffe es nur bedingt, ihre hohe Attraktivität potentiellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu vermitteln.
Auf der Basis der vom VDMA bis 2030 prognostizierten Wertschöpfung von 500 Mrd. Euro geht TGMC-Geschäftsführer Heinz Uekermann davon aus, dass im Jahr 2030 in Deutschland eine Million Menschen in der Windindustrie arbeiten werden. Der Windturbinen-Hersteller Vestas zum Beispiel hat seine Mannschaft  von 3.500 im Jahr 2000 auf heute weltweit knapp 22.000 Mitarbeiter vergrößert.  
Prof. Dr. Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance, prognostiziert, dass zunehmend Serienfertigung und technologische Optimierung Einzug in die Unternehmen der Windbranche halten werden. »Die deutsche Wirtschaft kann wie keine andere vom Boom der grünen Branche profitieren, wie dem Ausbau der Energieeffizienz, der Energiespeicherung, intelligenter Daten- und Energienetze, innovativer Kraftwerks- und Antriebstechnologien«. Kemfert, die auch Themenbotschafterin im »Wissenschaftsjahr 2010 – Die Zukunft der Energie« ist, hob hervor, dass immer mehr Fachhochschulen und Universitäten ausbilden. »Besonders wichtig ist es deshalb, die Ausbildung in den Energieberufen wie Industriemechaniker, Mechatroniker, Fertigmechaniker, Konstruktionsmechanik oder Kunststofftechniker zu verstärken und weiter auszubauen.«


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