Eine Fläche – zweifache Nutzung

Agri-Photovoltaik: Ernte und Strom vom Acker

5. April 2022, 12:53 Uhr | Kathrin Veigel
Agri-Photovoltaik-Pilotanlage des Fraunhofer ISE in Heggelbach am Bodensee
© Fraunhofer ISE

Der Bund will Agri-PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen über das EEG fördern. Die Bundesregierung sollte aber auch die nötige Begleitforschung fördern, damit das Potential der innovativen Technologie noch mehr ausgenutzt werden könne, so Forscher der Uni Hohenheim und dem Fraunhofer ISE.

Die Agri-Photovoltaik bietet die Chance, auf landwirtschaftlichen Flächen gleichzeitig Nahrungsmittel und Solarstrom zu produzieren. Vier Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland würden ausreichen, um den gesamten Strombedarf des Landes zu decken, so die Hochrechnung der Arbeitsgruppe Agri-Photovoltaik.

Diesen Vorteil hat jetzt auch die Bundesregierung erkannt und unterstützt daher Agri-PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen künftig über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Sie greift damit eine zentrale Forderung aus dem Themensteckbrief der Arbeitsgruppe Agri-Photovoltaik auf. Wissenschaftler der Uni Hohenheim und des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) begrüßen den Startschuss für die innovative Technologie, fordern aber auch dazu auf, die notwendige weitere Erforschung zu fördern, um das Potential der innovativen Technologie noch besser nutzen zu können.

Agri-Photovoltaik heißt, dass Solarmodule auf Stelzen montiert werden, neben oder unter denen weiterhin Landwirtschaft betrieben wird. Für landwirtschaftliche Betriebe bedeutet die Strom-Produktion eine wertvolle Zusatzeinnahme. Ein weiterer Vorteil neben der doppelten Ernte: Die Anlagen können Kulturpflanzen vor zunehmenden Extrem-Wetterereignissen wie Starkregen oder Hagel schützen.

 

Feldversuche belegen das Potential der doppelten Landnutzung

Dass das Konzept funktioniert, zeigen die 2021 abgeschlossenen Versuche der Universität Hohenheim und des Fraunhofer ISE. Auf einer Versuchsfläche am Bodensee untersuchten die Forschenden die Auswirkungen einer Agri-PV-Anlage auf die Kulturen Kartoffel, Sellerie, Kleegras und Weizen.

Das Ergebnis: eine durchschnittliche Landnutzung von 160 Prozent. Statt je 100 Prozent Weizen und 100 Prozent Solarstrom auf zwei getrennten Feldern, ermöglicht Agri-PV in unserer Klimazone auf der gleichen Fläche eine Produktion von etwa 80 Prozent Weizen und 80 Prozent Solarstrom.

In warmen und trockenen Jahren begünstigte der Schatten der PV-Anlagen sogar den Pflanzenwuchs. 2018 stieg der Weizenertrag auf dem Versuchsfeld um 3 Prozent, der Ertrag von Kartoffeln sogar um 11 Prozent.

Volles Potential der Anlagen bisher nicht umfassend erforscht

Die positiven Erkenntnisse bei diesen Beispiel-Pflanzen legen nahe, dass sich das Potential der Agri-Photovoltaik durch detailliertere Forschung noch effizienter heben ließe.

»Eine spannende Frage ist, durch welche Pflanzen sich das Potential der Agri-PV-Felder besonders weit ausreizen lässt. Gleichzeitig müssen wir untersuchen, wie die Anlagen die Biodiversität auf den Feldern beeinflussen und welche Maßnahmen gegebenenfalls zu ergreifen sind«, sagt Lisa Pataczek, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum Ökologischer Landbau der Universität Hohenheim. 

Ein weiterer Aspekt: Manche Anlagen können Pflanzen zudem vor starker Sonne oder Regen schützen. Durch weitere Forschung ließe sich herausfinden, wie man die Anlagen wirtschaftlich und ökologisch am besten einsetzen kann.

Modellforschung ist eine Chance für nachhaltiges Förderprogramm

»Die angekündigte Solar-Offensive der Bundesregierung ist ein wichtiger Schritt«, so Jun.-Prof. Dr. Andreas Schweiger, Leiter des Fachgebiets Pflanzenökologie an der Universität Hohenheim, »und greift eine unserer zentralen Forderungen auf. Um die Anlagen in Zukunft effizient und nachhaltig laufen zu lassen, wäre nun eine intensive Begleitforschung mehr als ratsam.«

Ideal wäre eine Kombination von Feldforschung und Modellprojekten, so der Pflanzenökologe der Universität Hohenheim. Solche sogenannten Living Labs seien ideal, um zum Beispiel Bedingungen an verschiedenen Standorten in Deutschland zu testen. Aus den Ergebnissen könnten im nächsten Schritt Empfehlungen für ein differenziertes Förderprogramm abgeleitet werden, um die Anlagen bestmöglich in die Praxis zu überführen.

Ein solches wissenschaftlich fundiertes Förderprogramm sei ein wichtiger Schritt, findet auch Max Trommsdorff, Gruppenleiter Agri-Photovoltaik am Fraunhofer ISE: »Durch eine pauschale Förderung würden unterschiedliche Systeme miteinander konkurrieren. Die besonders flächeneffizienten hoch aufgeständerten Anlagen-Typen sind allerdings aktuell noch auf eine höhere Förderung angewiesen.« Eine differenzierte Förderung der unterschiedlichen Anlagen würde sicherstellen, dass die Technologie ihr volles Potenzial entfaltet.


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