Oliver Wyman-Studie zum Photovoltaikmarkt

Fünf vor Zwölf für deutsche Photovoltaik

14. Juni 2010, 14:20 Uhr | Heinz Arnold

Dem Photovoltaikmarkt steht eine massive Konsolidierung bevor. Angesichts der Reduzierung der Einspeisevergütung seien laut der neusten Studie von Oliver Wyman (Quo vadis, Photovoltaik?) speziell die deutschen Unternehmen gefordert, ihre Geschäftsmodelle anzupassen, Kosten zu senken und sich global auszurichten.

Noch können sie zu den Gewinnern im attraktiven Photovoltaikmarkt gehören. Doch Finanzierungsprobleme, Altlasten aus den Boomjahren und die Abhängigkeit vom deutschen Markt schränken ihre Handlungsoptionen ein. Und die führenden Player aus Asien und USA haben bereits zum Überholen angesetzt. Es sei fünf vor zwölf für die deutsche Photovoltaikindustrie.

Der globale Photovoltaikmarkt befindet sich weiter auf Wachstumskurs. Trotz Finanz- und Wirtschaftskrise setzte die Photovoltaikindustrie 2009 insgesamt rund 28 Mrd. Euro um und verzeichnete damit gegenüber dem Vorjahr ein Plus von acht Prozent. Weltweit wurden laut European Photovoltaic Industry Association (EPIA) mehr als 7 GW Leistung installiert, was einem Anstieg von knapp 15 Prozent entspricht und die installierte Gesamtkapazität auf rund 23 GW erhöhte. Die jährlichen Steigerungsraten werden sich auch in Zukunft auf 15 bis 20 Prozent belaufen. Für dieses Jahr wird mit einem Zubau von mehr als 8 GW gerechnet, für 2014 sind in einem moderaten Szenario rund 13,8 GW prognostiziert.
Kontinuierlich hohes Wachstum versprechen künftig vor allem Länder außerhalb Europas. In den USA wird sich die installierte Leistung nach 477 MW im vergangenen Jahr bis 2014 jährlich um 44 Prozent auf dann 3 GW steigern. Im gleichen Zeitraum, so die Prognosen, verbessert sich Japan beim Zubau pro Jahr um 20 Prozent – von zuletzt 484 MW auf 1,2 GW. Für China wird ein Anstieg um jährlich 30 Prozent von 160 auf 600 MW im Jahr 2014 erwartet.

Höhenflug vorerst gestoppt

Deutschland ist der mit Abstand stärkste Photovoltaikmarkt. Die installierte Gesamtkapazität liegt bei nahezu 10 GW. Allein im vergangenen Jahr wurde die installierte Leistung mit 3,8 GW gegenüber 2008 fast verdoppelt. In den kommenden vier Jahren wird der deutsche Markt zwar kaum noch wachsen, sich aber auf hohem Niveau bei jährlich 3 bis 4 GW Zubau einpendeln. Davon profitiert die erfolgsverwöhnte deutsche Photovoltaikbranche allerdings nicht zwangsläufig.
Zahlreiche Unternehmen kämpfen im Vergleich zum Boomjahr 2008 mit massiven Umsatz- und Gewinneinbrüchen sowie Finanzierungsproblemen. Ihnen allen macht der Solar-Hype der Vorjahre zu schaffen. Dieser führte – wie in Start-up-Phasen üblich – bei allen Unternehmen zu rasanter Expansion mit einem enormen Ausbau der Mitarbeiter- und Produktionskapazitäten.

Für eine nachhaltige finanzielle Absicherung und die Weiterentwicklung von Technologien haben viele nicht gesorgt. Auf Marktnormalität mit Nachfrageflauten und Überkapazitäten, wachsendem Wettbewerb und Preisdruck vor allem durch asiatische Anbieter sind die deutschen Solarunternehmen unzureichend ausgerichtet. Mit der Absatzverlagerung ins Ausland allein lässt sich ein Preisverfall von bis zu 20 Prozent nicht ausgleichen.
Zusätzlich steigen asiatische Großkonzerne in den Photovoltaikmarkt ein. So beabsichtigt Samsung, 4 Mrd. Euro in die Photovoltaikproduktion zu investieren. Diese Entwicklung wird den Wettbewerb hierzulande, aber auch weltweit deutlich verschärfen. Die weitere Reduzierung der deutschen Einspeisevergütung ab Juli 2010 wird vielen Unternehmen zusätzliche Probleme bereiten.

Der TecDAX-Trend gegenüber der Aktienentwicklung der deutschen Photovoltaik-Unternehmen
Der TecDAX-Trend gegenüber der Aktienentwicklung der deutschen Photovoltaik-Unternehmen

Die Börsenkurse spiegeln die Situation der deutschen Branche wider. Trotz des anhaltend starken Markts in Deutschland, so zeigt der Solar-Index von Oliver Wyman, liegt die Aktien-Performance deutscher Solarhersteller im Schnitt deutlich unter dem TecDAX-Trend.

»Die institutionellen Investoren und Privatanleger glauben nicht mehr an die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Photovoltaikunternehmen«, sagt Jens Milnikel, Partner bei Oliver Wyman. »Photovoltaik wird immer mehr zu einem reifen Markt, in dem sich alles um Geschwindigkeit, Kostensenkung und Internationalität dreht. Darin sind speziell asiatische Wettbewerber sehr aggressiv. Im Gegensatz zu deutschen Unternehmen haben sie aber auch keine Altlasten aus der expansiven Start-up-Phase und sind das Geschäft strategischer angegangen.«

Geschäftsmodelle anpassen

Das Gebot der Stunde heißt für die Photovoltaikunternehmen, schnell und gezielt zu handeln. Umfassende Restrukturierungsmaßnahmen mit Personalanpassungen und Standortschließungen sind zum Teil bereits eingeleitet und müssen intensiviert werden. Doch diese Bemühungen werden nicht ausreichen. Die Unternehmen müssen sich konsequent an die Spielregeln des Commodity-Markts anpassen. Dies kann nur über die Anpassung der Geschäftsmodelle erfolgen. Die aktuelle Oliver Wyman-Studie zeigt, dass in der Photovoltaikindustrie künftig auf allen Wertschöpfungsstufen von der Fertigung bis hin zur Distribution weltweit ein harter Wettbewerb herrscht, in dem nur wenige Unternehmen dominieren. Damit wird sich auch die Zahl der bislang existierenden Geschäftsmodelle drastisch reduzieren. Von den heute rund 20 nicht trennscharfen Geschäftsmodellen werden bis 2012 lediglich fünf übrig bleiben. Insbesondere die Zellen- und Modulhersteller stehen mittelfristig vor großen Herausforderungen. Wer sich jedoch künftig fokussiert in der Wertschöpfungskette positioniert, kann nachhaltig EBIT-Margen von zehn Prozent oder mehr erzielen.

Branchenkonsolidierung absehbar

Diese Neuausrichtung sollte innerhalb der nächsten 12 bis 24 Monate erfolgen und erfordert hohe Investitionen. Angesichts ihrer angespannten Cash-Situation aber fehlt gerade den deutschen Unternehmen dafür oft das nötige Kapital. Dem Großteil droht das klassische Stuck in the Middle-Dilemma, dem nur mithilfe von Kooperationspartnern zu entkommen ist. »Deutschland bleibt ein hochattraktiver Markt«, so Milnikel. »Doch erfolgreich mitspielen wird nur, wer ausreichend Kapital hat, First Mover ist, die Kosten im Griff hält und sich sowohl mit Vertrieb als auch Produktion international aufstellt.«


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