Generatorkonzepte für Windenergieanlagen

Mit oder ohne Getriebe - das ist hier die Frage

11. Dezember 2012, 11:51 Uhr | Andreas Knoll

Windenergieanlagen (WEA) mit getriebelosem Antriebsstrang arbeiten ebenso wie ihre Pendants mit Getriebe seit langem erfolgreich. Dennoch haben die beiden Generatorkonzepte spezifische Vor- und Nachteile. Worin liegen sie im Einzelnen? Über diesen und andere Aspekte äußern sich im Folgenden Experten aus der Branche.

Felix Henseler, Winergy AG
Felix Henseler, Winergy AG: »Getriebebehaftete Lösungen sind in puncto Anschaffungspreis im Vorteil.«
© Winergy

Aus der Frühzeit der Windenergienutzung ist das Problem der Störanfälligkeit von Getrieben bekannt - aber sind diese immer noch so wartungsintensiv wie vor 15 oder 20 Jahren? Eignen sich Generatorkonzepte mit Getriebe auch für Offshore- oder nur für Onshore-WEA? Der Anlagenhersteller Nordex beispielsweise setzte bislang bei Onshore auf Getriebe und bei Offshore auf getriebelos; mit seinem Ausstieg aus dem Offshore-Markt gab das Unternehmen auch das getriebelose Konzept auf. Der Weltmarktführer Vestas und die Suzlon-Tochter REpower Systems verwenden sowohl für ihre Offshore- als auch für ihre Onshore-WEA Getriebe, während der nur Onshore tätige deutsche Marktführer Enercon konsequent das getriebelose Konzept umsetzt. Der »Newcomer« e.n.o. energy systems GmbH wiederum, der als Planer, Projektentwickler, Betreiber und Dienstleister erst 2008 in den Bau von Onshore-WEA eingestiegen ist, verbaut Antriebsstränge mit Getriebe.

Angesichts dessen sollte man annehmen, dass die früheren Probleme mit Getrieben mittlerweile behoben sind. Die befragten Experten bestätigen dies: »Verfügbarkeit und Ausfallwahrscheinlichkeit von WEA hängen stark von den elektronischen und elektrischen Komponenten ab«, erläutert Tony Maaß, bei der e.n.o. energy systems GmbH in der Entwicklung und Konstruktion tätig. »Diese haben generell viel höhere Fehlerraten und Ausfallzeiten als Getriebe. Ausfallzeiten lassen sich in erster Linie durch die Optimierung der elektrischen und elektronischen Komponenten reduzieren.«

Auch Felix Henseler, Leiter Business Development der Winergy AG, hebt die Zuverlässigkeit der Getriebe hervor: »Ein in den Medien kommunizierter Vorteil des getriebelosen Konzepts (Direct Drive) ist die geringere Anzahl von Komponenten und dass keine/weniger mechanisch berührende Teile nötig sind«, sagt er. »Ob sich dieser Vorteil in der Praxis bestätigen wird, muss sich noch beweisen.«

Als Antriebskomponenten-Hersteller für WEA ist die Winergy AG mit Getrieben, Kupplungen und dem sogenannten »HybridDrive« am Markt vertreten. Beim »HybridDrive« handelt es sich um ein Antriebskonzept, das Generator und Getriebe in einer Einheit zusammenfasst. »Konventionelle getriebebehaftete Antriebsstränge für WEA bestehen - abgesehen vom Frequenzumrichter - aus Getriebe, Kupplung und Generator«, erläutert Henseler. »Der ‚HybridDrive’ dagegen verbindet ein zweistufiges Planetengetriebe und einen Permanentmagnet-betriebenen Synchrongenerator in einem einzigen Produkt. Er kann auch mit einem elektrisch erregten Generator ausgerüstet werden.« Modularität ist trotzdem gegeben: »Der Generator und die Getriebestufe lassen sich zur Wartung separat demontieren«, betont Henseler. »Die Wartungsarbeiten sind direkt in der Gondel möglich, und weil die beiden Module relativ leicht sind, kann der interne Service-Kran der Gondel sie bewegen, so dass kein externer Kran erforderlich ist.« Dies verringere Komplexität und Kosten von Service-Einsätzen.

Generell ist laut Henseler »eine WEA mit einem Getriebekonzept in der klassischen Bauweise oder als ’HybridDrive‘ eine bewährte Lösung, um einen hohen Ertrag aus der Windenergie zu erzielen«. Als Vorteile einer getriebebehafteten Lösung nennt Henseler »die geringen Anschaffungskosten;

  • die Tatsache, dass der Einsatz teurer Rohstoffe wie Kupfer und Seltene Erden bei getriebebehafteten Lösungen deutlich geringer ist;
  • der hohe Wirkungsgrad klassischer Getriebelösungen bei höheren Windgeschwindigkeiten;
  • der hohe Wirkungsgrad mittelschnell drehender Getriebelösungen wie etwa dem ‚HybridDrive‘ für Schwachwind- und Mittelwind-Anwendungen;
  • die Flexibilität durch den modularen Aufbau. Upgrades und Anpassungen der Leistung sind mit geringem Aufwand umsetzbar.«

Etwas mehr Wartungsaufwand als getriebelose Antriebsstränge erfordern getriebebehaftete allerdings schon: »Der Wartungsaufwand für WEA mit Getriebe ist größer als der für getriebelose WEA«, führt Maaß aus. »Ölfilter und Getriebeöl müssen in regelmäßigen Abständen gewechselt werden. Das Wechselintervall für die Ölfilter beträgt bei vielen WEA 12 Monate, das Getriebeöl wird alle 3 bis 5 Jahre ausgetauscht. Diese Arbeitsschritte sowie die regelmäßige Inspektion der Lager und Verzahnung entfallen bei getriebelosen WEA, so dass deren Wartungskosten etwas niedriger sind als die von WEA mit Getriebe.« Henseler betont, dass »die Getriebe von Winergy auf 20 Jahre Lebensdauer ausgelegt werden, so dass in dieser Zeit lediglich mit den regelmäßigen Service-Einsätzen für WEA zu rechnen ist«. Ohnehin seien getriebebehaftete Lösungen in puncto Anschaffungspreis im Vorteil: »Sowohl Getriebe als auch der ’HybridDrive‘ sind bezogen auf die Einmal-Investition nach wie vor die wirtschaftlichste Lösung«, führt Henseler aus. »Zudem lassen sich Preisschwankungen ausschließen, weil Permanentmagnete nicht oder nur eingeschränkt verwendet werden.«


  1. Mit oder ohne Getriebe - das ist hier die Frage
  2. Welches Konzept für welche Umgebungsbedingungen?
  3. Welches Konzept für welche elektrische WEA-Leistung?

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