Stillstandszeiten per Roboter auf ein Minimum reduzieren

Roboter inspiziert Gondeln von Offshore-Windkraftanlagen

26. April 2011, 13:37 Uhr | Andreas Knoll
Klaus M. Schöler, Deutsche Windtechnik Betriebsführung GmbH: »Das Robotersystem ist eine visuelle Ergänzung zu den sensorgestützten Condition-Monitoring-Systemen.«
© Deutsche Windtechnik

Service- und Reparatur-Einsätze in Offshore-Windkraftanlagen, ob per Schiff oder Hubschrauber, sind sehr aufwändig und teuer. Ein neuartiges Robotersystem soll die vorbeugende Wartung künftig erleichtern: Direkt in der Anlagengondel untergebracht, kann es die dort installierte Technik permanent optisch inspizieren.

Um die Stillstandszeiten von Windkraftanlagen möglichst kurz zu halten, sind die Betreiber bislang auf zwei Methoden angewiesen: die Betriebsdatenerfassung mittels Condition-Monitoring-Systemen und die Sichtprüfung durch erfahrene Service-Techniker. »Regelmäßige Kontrolle per Augenschein ist aber nur in Onshore-Windkraftanlagen ernsthaft praktikabel«, betont Klaus M. Schöler, Geschäftsführer des Betriebsführungs-Dienstleisters Deutsche Windtechnik Betriebsführung GmbH in Bremen. »Im Offshore-Bereich erfordert sie zuviel Aufwand.«

Für Offshore-Windkraftanlagen waren bislang also nur Condition-Monitoring-Systeme wirklich sinnvoll. Sie überwachen den Zustand der Anlagen kontinuierlich und sind entweder als Stand-Alone-Systeme oder als in die Anlagensteuerung integrierte Systeme verfügbar. Ihre Aufgabe ist es, die von den angeschlossenen Sensoren erfassten Daten auszuwerten und zu protokollieren. Anhand dieser Informationen lassen sich Reparatur- und vorbeugende Wartungseinsätze planen. Falls nötig, setzen die Systeme Alarmmeldungen ab.

Die Deutsche Windtechnik Betriebsführung GmbH hat jetzt aber gemeinsam mit dem Bremer Institut für Strukturmechanik und Produktionsanlagen (bime) eine dritte Methode entwickelt, um die Stillstandszeiten zu verringern: das »Roboter-gestützte Offshore-Service-System« (ROSS), ein vollständig automatisiertes optisches Inspektionssystem auf Roboterbasis.

Das ROSS ist modular aufgebaut und besteht aus einem Kamerawagen, einem Triebwagen und einem Versorgungswagen. Es bewegt sich auf einer Führungsschiene, die nicht auf eine Gerade oder Ebene beschränkt ist, so dass es komplexe dreidimensionale Bahnen abzufahren vermag. Die Schiene darf zwar nicht verdreht werden, weil das Robotersystem die Drehung nicht nachvollziehen kann; sie lässt sich ansonsten aber frei gestalten. An Stellen, an denen das System hinunterfallen könnte, ist die Schiene mit einer Zahnstange ausgestattet. Das System kann sogar eine senkrecht nach unten hängende Position einnehmen. Es inspiziert also auch verwinkelte und schwer zugängliche Stellen, die mit fest installierten Kameras nicht zu erreichen wären. Die Schiene ist so installierbar, dass das ROSS Service-Technikern bei ihrer Arbeit nicht in die Quere kommt. Wenn das System außer Betrieb ist, fährt es eine Docking Station an.

Als Herzstück des Kamerawagens dient eine intelligente Kamera mit Zoom-Objektiv und integriertem PC. Das Kamerasystem ist an einer Dreh- und Schwenkachse befestigt und inspiziert daher die in der Gondel installierten Anlagenteile aus unterschiedlichen Perspektiven. Es ist steuerbar, so dass es Steuersignale für den Zoom und die Bewegungen auf der Dreh- und Schwenkachse empfangen kann.

Der Versorgungswagen übernimmt die autonome Energieversorgung des ROSS: Eingebaute Batterie-Packs speisen das Robotersystem mit der nötigen Energie und werden aufgeladen, sobald es die Docking Station angefahren hat. Für die Aufladung muss es also in regelmäßigen Abständen die Docking Station aufsuchen. Darüber hinaus überträgt der Versorgungswagen Daten per WLAN-Verbindung zum stationären Box-IPC im Turmfuß und empfängt Steuersignale von ihm. Über Mobilfunk und Festnetz ist der Box-IPC wiederum mit der Leitwarte verknüpft. »Dank der drahtlosen Steuersignal- und Datenverbindung zwischen Versorgungswagen und PC ist die Steuer- und Auswertelogik vollständig aus dem Robotersystem ausgelagert - der Versorgungswagen umfasst nur die nötige Leistungselektronik«, verdeutlicht Schöler. »Kabel und Schleifkontakte zwischen ihm und dem Box-IPC sind nicht erforderlich.«

In Offshore-Windkraftanlagen soll das ROSS unter anderem Leckagen suchen oder Rauchentwicklung durch Kontaktbrände in den Schaltschränken entdecken. »Es kann beispielsweise feststellen, ob ein Ölschlauch ein Leck hat, aus dem Getriebe des Generators Öl ausläuft oder der Filter eines Lüfters verstaubt ist«, führt Schöler aus. Generell soll das Robotersystem die klassischen Condition-Monitoring-Systeme nicht ersetzen: »Es deckt ein anderes Inspektionsspektrum ab und ist daher eine visuelle Ergänzung zu den sensorgestützten Condition-Monitoring-Systemen«, erläutert er. »Auf einer Testschiene im Labor hat es sich bereits bewährt; ab Mai wird es in einer Windkraftanlage unter realen Bedingungen geprüft.«

Weil es modular aufgebaut ist, lässt sich das Robotersystem erweitern: Ein zusätzlicher Manipulator ermöglicht den Einsatz von Temperatur- oder Schwingungssensoren. Auch langfristige Datenerfassung ist möglich, gegebenenfalls über den gesamten Lebenszyklus einer Windkraftanlage. Für die Zukunft haben sich die Beteiligten eine weitere Miniaturisierung des Systems vorgenommen, um noch kleinere Ecken inspizieren zu können. »Denkbar wäre es auch, mit dem ROSS in die Rotorblätter zu fahren, um Risse schon im Frühstadium zu erkennen«, hebt Schöler hervor.

Unterstützt wird das Projekt von der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) im Rahmen ihres Programms zur Förderung anwendungsnaher Umwelttechniken (PFAU) sowie von der Europäischen Union (EU) im Zuge ihres Programms »Investition in Ihre Zukunft - Europäische Fonds für regionale Entwicklung«.


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