Erneuerbare Energien

EnBW ODR: »Die Energieversorgung verändert sich drastisch«

5. Januar 2011, 16:46 Uhr | Heinz Arnold
Frank Hose: »Die so genannte EEG-Abgabe zur Förderung der erneuerbaren Energien wird von derzeit 2,05 Cent/kWh im nächsten Jahr auf voraussichtlich 3,5 Cent/kWh dramatisch steigen.«
© EnBW ODR

Die regionalen Energieversorger müssen ihr Netz kräftig aus­bauen, um mit der Einspeisung erneuerbarer Energien fertig zu werden. Doch die Ressourcen an Personal und Material sind knapp. Markt&Technik sprach mit Frank Hose, Vorstand von En­BW ODR AG, über die künftigen Herausforderungen.

Markt&Technik: Weil die Photo­voltaik-, Wind- und Biomasse-Anlagen den Strom in die Nieder- und Mittelspannungsnetze ein­speisen, müssen diese Netze stärker und intelligenter werden. Was bedeutet das konkret?

Frank Hose: Bisher kannte der Strom vornehmlich nur eine Rich­tung: von wenigen großen Kraft­werken über die Umspannwerke, Transformatorenstationen und Niederspannungsleitungen zum Kunden. Wenn nun viele tausende Photovoltaikanlagen die Energie ins Niederspannungsnetz einspei­sen, kehrt sich die Stromrichtung um. In ländlichen Gebieten mit großen Dachflächen ist die einge­speiste Leistung aus Photovoltaik­anlagen zeitweise deutlich größer als die höchste Bezugsleistung der Kunden. An sonnigen Sonn- und Feiertagen mit wenig Stromver­brauch und hoher Einspeiseleis­tung muss der überschüssige Strom sogar aus der Region in die Hochspannungsnetze rückgeliefert werden.

Deshalb müssen die regionalen und örtlichen Netze nicht nur ver­stärkt, sondern wesentlich intensi­ver als bisher notwendig über­wacht und gesteuert werden. Ener­gieerzeugung und Energiever­brauch müssen in jeder Sekunde im Gleichgewicht sein. Intelligent gesteuert wird zum Beispiel bald mit modernen Trafos in intelligen­ten Stationen mit automatisch steuerbaren Stufenschaltern zur Spannungsregelung. Bisher hat es genügt, die Spannungsregelung für einen größeren Netzbereich über die Umspanner in den Umspann­werken, die von Hochspannung auf Mittelspannung umsetzen, mit solchen automatischen Stufen­schaltern zu versehen. An den Ortsnetztrafos waren sie bisher nicht erforderlich.

In Gebieten mit hoher Photo­voltaikleistung muss jetzt die Spannung für ein kleineres Orts­netz automatisch geregelt werden können. Ist die Einspeisung hoch, der Verbrauch aber niedrig, steigt die Netzspannung an; gibt es nur eine geringe oder gar keine Ein­speisung bei hohem Verbrauch, sinkt die Netzspannung. Um jetzt die Netzspannung im zulässigen Toleranzband zu halten, auch wenn etwa gerade eine Wolke Schatten auf die PV-Anlage wirft, muss die Spannung zukünftig kon­tinuierlich automatisch geregelt werden.

Um den vielen zusätzlichen Strom aus PV-Anlagen überhaupt aufnehmen zu können, müssen nicht nur zusätzliche Leitungen, sondern auch zusätzliche Trans­formatorenstationen gebaut wer­den. Wo heute eine Station arbei­tet, werden in Zukunft an be­stimmten Orten oft fünf oder sechs erforderlich sein.

Doch jetzt müssen noch die Vor­aussetzungen geschaffen wer­den, das primäre Stromnetz zu regeln. Wie ist das möglich?

Wir müssen neben dem Primär­netz ein Sekundärnetz aufbauen, über das die Datenkommunikation erfolgt. Um das primäre Stromnetz sinnvoll regeln zu können, muss eine Vielzahl von netzrelevanten Daten aus dem Netz und an den Hausanschlüssen von Stromver­brauchern und Stromerzeugern, wie Spannung, Arbeit und Leis­tung, gesammelt und an die Steu­erzentralen der Stromversorger weitergeleitet werden.

Wie sollen die Daten zunächst gesammelt werden?

Dazu installieren wir intelligente Zähler, die die wichtigen Daten aufnehmen und über die so ge­nannte Powerline Communication (PLC) über die Niederspannungs­leitungen an die Datenkonzentra­toren weiterleiten, die an den Tra­fostationen installiert sind. Die Datenkonzentratoren senden die Daten über Lichtwellenleiter oder GPRS zum Energiedatenmanage­mentsystem in der Zentrale. Die Datenkommunikation erfolgt selbstverständlich auch in die um­gekehrte Richtung, um beispiels­weise Steuerimpulse zu senden, die Tarife umschalten und be­stimmte Geräte ein- und ausschal­ten können, etwa die Wärmepum­pe. Bisher gab es nur zwei Tarife für Tag und Nacht, jetzt können wir besondere Tarifpakete anbie­ten, etwa Wochenendtarife oder bestimmte Happy-Hour-Tarife am Sonntag, wenn die PV-Anlagen viel Strom einspeisen, aber auf der Abnehmerseite wenig Bedarf be­steht.

Wie definieren sie einen intelli­genten Zähler?

Ein intelligenter Zähler ist das Ba­sisgerät für ein modernes Kommu­nikationssystem zwischen Kunden und Energieversorger, das in beide Richtungen Daten und Steuersig­nale austauschen kann. Er bietet dem Kunden vielfältige Anwen­dungsmöglichkeiten zum Energie­management im Haushalt (Smart Home) und liefert dem Energiever­sorger die notwendigen Daten und Fernwirktechnik zur Netzsteue­rung (Smart Grid) und zur voll automatisierten Zählerfernausle­sung und Energieabrechnung.

Der Strompreis wird steigen, auch mit der Laufzeitverlänge­rung für die Atomkraftwerke?

Aufgrund der sehr hohen Investiti­onen in den Ausbau der Netze steigen die Netzentgelte, die mit knapp 30 Prozent einen wesentli­chen Anteil am Strompreis haben. Außerdem beinhaltet der Strom­preis derzeit etwa 43 Prozent Steu­ern und Abgaben. Die so genannte EEG-Abgabe zur Förderung der erneuerbaren Energien wird von derzeit 2,05 Cent/kWh im nächs­ten Jahr auf voraussichtlich 3,5 Cent/kWh dramatisch steigen. Stadtwerke und Regionalversorger betreiben ja keine Kernkraftwerke, sie müssen den Mehraufwand an die Kunden weitergeben. So wer­den auch die großen Energiever­sorgungsunternehmen verfahren, denn auch wenn sie die Kernkraft­werke jetzt länger betreiben dür­fen, müssen sie einen Großteil des Gewinns aus den Laufzeitverlän­gerungen u.a. durch die Brennele­mentesteuer sofort über sechs Jah­re hinweg abführen. Ohne Lauf­zeitverlängerung wären die meis­ten Kernkraftwerke nach dem ur­sprünglichen Beschluss noch eini­ge Jahre am Netz geblieben, und das ohne steuerliche Belastungen. Die Laufzeitverlängerung wirkt sich für die Kernenergiebetreiber erst am langen Ende, frühestens in sechs Jahren, positiv aus.

Wie werden sich die höheren Preise auf die Industrie auswir­ken?

Weil die Preise steigen, wird es für große Industriebetriebe immer lohnender, eigene Kraftwerke zu bauen und zu betreiben – oder im Ausland zu produzieren. Auf jeden Fall wird eine Vielzahl weiterer Blockheizkraftwerke, Biogasanla­gen, Windkraftanlagen und auch Fotovoltaikanlagen in Betrieb ge­hen. Eines ist auf jeden Fall sicher: Die Energieversorgung wird sich in den nächsten Jahre drastisch ver­ändern.


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