Kommentar

Smart Grid - Verkehrte Welt

19. Mai 2010, 14:53 Uhr | Gerhard Stelzer
© Elektronik

Photovoltaik- und Windkraftanlagen richten sich nicht nach dem Verbraucher, sondern nach Sonne und Wind. Für eine bessere Abstimmung von Angebot und Nachfrage soll ein intelligentes Stromnetz sorgen, doch es fehlen auch Energiespeicher.

Als ich mir das letzte Mal meine Stromrechnung angeschaut habe, erfasste mich das kalte Grausen und ich dachte mir, es wäre mal wieder Zeit für einen Anbieterwechsel. Nun gibt es da einschlägige Internetportale, die einem die günstigsten Tarife herausfiltern helfen. Nur der von mir gewünschte Anbieter hat leider gefehlt: Ich würde gerne meinen Strom an der Strombörse in Leipzig beziehen und - wie in letzter Zeit gar nicht so selten geschehen - fürs Stromabnehmen kassieren anstatt zu zahlen.

Deutschland ist bei der Erzeugung regenerativer Energien dank des EEG weltweit führend. Doch wohin mit dem Strom in Zeiten einer steifen Brise bei wunderbarem Sonnenschein? Die traditionellen Großkraftwerke lassen sich in aller Regel nicht so schnell herunterregeln, wie die Sonne hinter den Wolken hervorkommt oder der Wind zu blasen beginnt.

Gefragt sind nicht nur intelligente Stromnetze, sondern vor allem vernünftige Stromspeicher, die große Energiemengen an elektrischem Strom puffern können. Seit langem in Gebrauch sind Pumpspeicherwerke, die Wasser auf ein höheres Niveau heben und damit potentielle Energie speichern. Neuer ist der Vorschlag, die großen Akkus von Elektroautos als Pufferspeicher zu nutzen.

Auf der Hannover Messe 2010 stellte die Fraunhofer-Gesellschaft nun zwei Verfahren vor, wie sich elektrische Energie in größeren Mengen speichern lässt. Forscher der Fraunhofer-Allianz Energie präsentierten Prototypen von Redox-Flow-Batterien. Die Idee stammt zwar schon aus den 1970er Jahren, wird aber erst jetzt mit zunehmend dezentraler, nicht verbrauchsorientierter Energieerzeugung interessant. Bei Redox-Flow-Batterien bedient man sich zweier Flüssigkeiten, Elektrolyte mit Metall-Ionen, die aus Tanks durch eine Zelle fließen und dabei in einem chemischen Prozess Strom erzeugen. Das Prinzip ist reversibel, so dass sich elektrische Energie wieder in chemische Energie umwandeln und in den Tanks speichern lässt. Bis zu 10.000 Mal ist dieser Vorgang wiederholbar. Derzeit werden bereits Konzepte für größere Anlagen bis zu 2 MW entwickelt, die auf Groß-Stacks zu je 35 kW basieren. Wenn man an die riesigen Tanks der strategischen Erdölreserve der Bundesrepublik Deutschland denkt, dann könnte man mit solchen Tanks auch größere Strommengen puffern.

Ein anderer vielversprechender Ansatz ist die Speicherung von Ökostrom in Form eines Erdgassubstituts. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg (ZSW) hat zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) ein Verfahren entwickelt, das Wasserstoff-Elektrolyse mit Methanisierung verbindet. Die Stuttgarter Anlage spaltet Wasser per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff und synthetisiert den Wasserstoff mit Kohlendioxid zu Methan. Um die industrielle Umsetzung kümmert sich das Salzburger Unternehmen SolarFuel Technology. Ein großer Vorteil der Technik ist, dass sich die vorhandene Erdgasinfrastruktur nutzen lässt. Das Speicherreservoir des deutschen Erdgasnetzes wird von den Forschungspartnern mit über 200 Terawattstunden beziffert, dem Verbrauch von mehreren Monaten. Das Stromnetz verfügt im Vergleich dazu nur über 0,04 Terawattstunden an Kapazität.

Sicherlich wird die Lösung des Energiespeicherproblems nicht in einer Technik allein liegen, genauso wenig wie die Erzeugung der elektrischen Energie. Für mich steht unzweifelhaft fest, dass der Schlüssel zur Lösung unserer künftigen Energieversorgung in Vielfalt und Dezentralität liegt. Hoffentlich hat dann auch das Modell ausgedient, dass man für Stromkonsum Geld kassieren kann.

 


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